Woche 37
Tage 252 - 258
04.-10.05.2019
444,4 km
-Svay Rieng; Kambodscha -
Phnom Penh und der Beginn der Monsunzeit
Von Siem Reap aus, möchte ich als nächstes in die Hauptstadt Kambodschas, nach Phnom Penh. Mein Zwicken in der Achillessehne von Freitag hat sich zum Glück wieder in Wohlgefallen aufgelöst.
Aufgrund der längeren Pause bin ich frisch und fühle mich gut. Nach 100 Kilometern an Tag eins fühle ich mich immernoch, als wäre ich gerade erst losgefahren und beschließe, dass ich einen langen
Tag im Sattel machen möchte und einfach mal schauen will, wie weit ich an einem Tag so fahren kann. Keine fünf Minuten später setzt jedoch ein so starker Regen ein, dass ich gezwungen bin mich an
einer Tankstelle unter zu stellen. Die Regenzeit hat begonnen und wenn es hier einmal regnet, dann heftig. Das Gewitter ist extrem stark. Blitz, Donner, Sturm, die volle Palette. Ich bin ganze
vier Stunden in der Tankstelle gefangen, ehe das Gewitter erst abschwächt und dann so schnell wieder vorbei ist, wie es begonnen hat. Inzwischen ist es dunkel und ich frisch geduscht. Auf einen
möglichst langen Tag im Sattel habe ich nun keine Lust mehr. An der Tanke übernachten will ich aber auch nicht und so fahre ich noch knapp 30 Kilometer, bis ich einen guten Platz für mein
Nachtlager finde. Die Prämisse ist nun für den Fall eines erneuten Gewitters genug Dach über dem Kopf zu haben, also spanne ich meine Hängematte unter einer offenen Hütte auf. Am nächsten Tag
weiß ich, dass ich es theoretisch bis Phnom Penh schaffen kann, wenn ich mich ein wenig anstrenge, weshalb ich mit den ersten Sonnenstrahlen um halb sechs aufstehe und mich ohne großes Brimborium
auf den Weg mache. Bald macht sich der Frühstückshunger bemerkbar und ich gönne mir die Portion Reis, die ich am Vortag an der Tankstelle vorgekocht hatte und zwei Tassen Kaffee. Während ich in
der idyllischen Pagode am Straßenrand frühstücke, fallen mir mal wieder die Unmengen an Müll auf, die mich umgeben und ich bekomme ein tiefes Verlangen die grüne Wiese von dem Müll zu befreien.
Ich muss eine Entscheidung treffen: Entweder will ich es heute bis in die Hauptstadt schaffen und ich kann in einem Bett schlafen oder ich starte eine Aufräumaktion und komme erst morgen an. Ich
entscheide mich für Zweiteres. Nach drei Stunden bin ich fertig mit der Fläche, die ich mir vorgenommen hätte. Wie immer fühlt es sich nur wie ein Tropfen auf dem heißen Stein an, weil der Müll
genauso weit reicht, wie das Sichtfeld und darüber hinaus aber es geht schließlich wie bei allem um kleine Schritte. Diesmal hilft mir sogar ein Herr mit Motorrad und Anhänger, die Müllsäcke
anschließend zum nächsten Recyclinghof zu fahren. Diese freundliche Unterstützung tröstet mich über den Ärger hinweg, dass mir ein anderer Mann, beim Müll sammeln eine Zigarette angeboten hat und
nachdem ich abgelehnt habe, seinen eigenen Zigarettenstummel fünf Meter weiter in die Wiese geschnipst hat. Als ich wieder im Sattel sitze ist es halb elf und ich habe noch 180 Kilometer vor mir.
Nach 120 Kilometern entscheide ich mich, in die Dunkelheit zu fahren und die letzten 60 Kilometer jetzt einfach hinter mich zu bringen. In der Dämmerung werde ich zu allem Überfluss von frontalem
Gegenwind geplagt, der mir alles abverlangt. Dementsprechend glücklich bin ich, als ich um kurz vor zehn Uhr abends nach knapp 190 Kilometern und neun Stunden im Sattel in meine Zielstraße
einbiege.
In den folgenden Tagen widme ich mich wie geplant einem Geschichts- und Kulturprogramm in Phnom Penh. Ich besuche die Killing Fields und das Genozidmuseum Tuol Sleng (S21). Ein
emotional ziemlich heftiges Programm. Außerdem schaue ich mir den Königspalast und den Zentralmarkt an und nehme an einer kostenlosen Führung durch das Viertel teil, die vom Hostel angeboten
wird. Mit meinen beiden englischen Zimmerkollegen, schaue ich mir am Dienstag und Mittwoch die beiden Champions League Halbfinalspiele an. Die Spiele finden für uns mitten in der Nacht statt,
Anpfiff ist um zwei Uhr. Aber bei beiden Spielen lohnt sich das lange wach bleiben und ich bereue es nicht. Den Donnerstag nutze ich nochmal zur Erholung, ehe ich mich am Freitagmorgen wieder auf
den Weg mache. Ich fahre bis kurz vor die vietnamesische Grenze. Unterwegs werde ich von sehr heftigen Regenfällen aufgehalten und mehrmals zum Anhalten gezwungen. Die Abkühlung finde ich sehr
angenehm und auch die Luft wird durch den Regen deutlich besser aber muss es immer gleich so extrem sein?! :D
Morgen geht es dann weiter nach Vietnam, wo ich mich direkt nach Ho-Chi-Minh-Stadt
(Saigon) begeben werde. Ein Schulfreund lebt mittlerweile seit einigen Jahren dort und hat mich eingeladen zu ihm zu kommen. Ich freue mich schon, dass wir uns nach einigen Jahren wieder sehen.
Woche 36
Tage 245 - 251
27.04. - 03.05.2019
282,6 km
-Siem Reap; Kambodscha -
Grenzübergang nach Kambodscha und die Angkor Tempel
Von dem schönen Reservoir aus, fahre ich direkt an die kambodschanische Grenze. Eigentlich dachte ich, dass ich noch eine weitere Nacht in Thailand verbringen würde, weil so ein Grenzübergang
immer einen gewissen Zeitaufwand mit sich bringt, doch von meiner Pause am Vortag bin ich ausgeruht und so komme ich noch vor der Abenddämmerung an der Grenze an. Ich stelle mich in einer
Reihe mit den Hundertschaften an Rollerfahrern an, weil sich das am ehesten nach der richtigen Schlange anfühlt. Nach einer Weile Schlangestehen, tippt mir ein sehr kleiner Mann auf die Schulter
und macht Handzeichen, dass ich doch einfach nach vorne fahren soll. Ich drängle mich also an den ganzen Rollern vorbei und folge den Schildern, die die Aufschrift „VISA aquired“ tragen. Wie
immer komme ich mir fehl am Platz vor, als ich mich samt beladenen Fahrrads durch die Anstellbänder durchschlängele und dabei hin und wieder eine der Stangen mitschleife oder umwerfe, an denen
die Bänder befestigt sind. Es geht einigermaßen zügig voran. An die verwunderten, lachenden und ungläubig kopfschüttelnden Gesichter bin ich bereits gewöhnt. Der Mann am Schalter begutachtet mich
und meinen Reisepass argwöhnisch. Das Foto ist aus 2014. Dann werde ich durchgewunken und der Marsch durch die VISA-on-arrival Institutionen beginnt. Formulare müssen ausgefüllt und Fragen
beantwortet werden. Wie immer ist ein super wichtiger Beamter dabei, der meine eingetragenen Antworten ohne Flug- und Fahrzeugnummer nicht akzeptiert. Sein Vorgesetzter ist jedoch wohl zurecht
sein Vorgesetzter und versteht die Zusammenhänge. Ich bekomme mein Visum. Es kostet 30 US-Dollar oder 120.000 kambodschanische Riel. Mit Karte kann man an der Grenzstation leider nicht bezahlen.
Ich habe keine Dollar und da ich aus Thailand komme natürlich auch kein kambodschanisches Geld und der nächste ATM ist drei Kilometer entfernt. Zum Glück habe ich noch Euro bei mir. Die
akzeptieren sie nach kurzer Diskussion auch. Eine weitere Diskussion, dass 30 Dollar und 30 Euro nicht ‚same same‘ ist, spare ich mir dann aber und bezahle die 30€ für mein Kambodscha-Visum.
Als ich endlich alle nötigen Stempel in meinem Pass habe, ist es bereits dunkel und ich habe Kohldampf. Wie immer hole ich mir eine Sim-Karte (1 Woche unbegrenztes Datenvolumen für 1$), hebe Geld ab und gehe anschließend in ein kambodschanisches Restaurant. Ich bestelle Amok, ein typisch kambodschanisches Currygericht mit Reis. Zu meiner Überraschung ist die vegetarische Variante, die es auf der Karte gar nicht gibt, tatsächlich vegetarisch und schmeckt super lecker! Amok for president! Dazu wird kostenloser Tee gereicht und ich bezahle gerade Mal zwei Dollar. Zu meiner Überraschung werden hier überall Dollarbeträge genannt und als Wechselgeld bekommt man häufig eine Mischung aus Dollar und Riel. Die Rielnoten ersetzen quasi das amerikanische Münzgeld. Der Wechselkurs liegt bei etwa 1:4000 und alles ist zu beginn ein wenig verwirrend. Es ist mittlerweile neun Uhr abends und um mir im Dunkeln einen Platz zum Campen zu suchen, bin ich zu platt. Also fahre ich noch ein, zwei Kilometer und nehme mir ein günstiges Zimmer in einem Guest House. Die Möglichkeit nach diesem Tag zu duschen, ist mir auch äußerst Willkommen.
Am nächsten Morgen geht es weiter. Ich fahre 150 Kilometer weit, bis nach Siem Reap. An diesem Ort gibt es viel zu sehen und mein Plan ist es dort ein paar Tage zu bleiben, Kulturprogramm zu
machen und ein paar Dinge zu erledigen, die sich angehäuft haben. Die Fahrt nach Siem Reap ist außergewöhnlich und macht Spaß, denn die Strecke ist komplett flach und ab Mittag weht ein brutal
starker Wind, der im ständigen Wechsel von vorne oder von hinten kommt. Das bedeutet, dass ich abwechselnd zwischen 40 - 50 km/h mit Rückenwind und 14 -15 km/h mit Gegenwind fahre. Manchmal
klemme ich mich auch für ein paar Kilometer in den Windschatten von LKW’s, doch das schaffe ich immer nur über einen kurzen Zeitraum. Im großen und Ganzen fühlt es sich an wie ein sechs Stunden
langes Intervalltraining und als ich in meinem Hostel ankomme bin ich platt. Mein Zimmer ist im dritten Stock, einen Aufzug gibt es nicht. Immer wenn ich das Gefühl habe, dass alles
zusammenkommt, bringt mich das zum Lachen und als der Hostelmitarbeiter auf das obere Stockbett zeigt, muss ich kurz laut auflachen, woraufhin mich der Mitarbeiter anschaut, als hätte ich
nicht alle Tassen im Schrank und dann schnell das Weite sucht.
In den folgenden Tagen kehrt ein wenig Normalität und Entspannung in mein Leben ein. Ich schneide zwei Filme, schreibe Postkarten, lese sogar einmal ein paar Zeilen und an einem Abend gehe ich in
dem Touri-Ort Siem Reap sogar feiern. Das ist das erste mal seit Budapest, dass ich einen Club von innen sehe und ich muss sagen, dass es ein wirklich cooler und witziger Abend ist. Die Dosis
macht die Medizin! Und alle halbe Jahre mal in einen Club zu gehen, scheint mir eine gute Dosis.
Ein großes Highlight, das ich mir für Kambodscha vorgenommen habe und das eigentlich auch der Hauptgrund ist, um nach Siem Reap zu kommen, sind die Angkor Tempelanlagen, rund um den weltberühmten Angkor Wat. Für Mittwochmorgen nehme ich mir also vor, früh aufzustehen, und mir den Sonnenaufgang beim Angkor Wat anzuschauen. Das Hostel in dem ich untergebracht bin, bietet Tempeltouren an, mit oder ohne Führung. Ich möchte es aber wie immer gerne ohne Führung machen und so schnüre ich um fünf Uhr morgens meine Laufschuhe und laufe die sechs Kilometer zur Tempelanlage. Das Tagesticket für die Tempelanlagen kostet 37 Dollar. Ich halte das für unglaublichen Wucher aber die Einzigartigkeit dieser Bauwerke rechtfertigt diesen Preis wohl. Der Sparfuchs in mir und meine nie ganz sterbende kriminelle Ader, lassen es mich trotzdem versuchen, mit dem noch gültigen Drei-Tagespass, den ich von Mona aus Frankfurt (ein Mädchen aus dem Hostel) bekommen habe, in die Anlage zu kommen. Ich scheitere jedoch bereits an dem ersten Checkpoint, da die Person auf dem Foto mir einfach wirklich nicht ähnlich sieht und ich entgehe nur ziemlich knapp einer Konfrontation mit der Polizei und dem damit einhergehenden 100$ Bußgeld. Den Sonnenaufgang habe ich verpasst und so beschließe ich, meinen Aufenthalt in Siem- Reap noch um einen Tag zu verlängern, mir ein eigenes, gültiges Ticket zu besorgen und am nächsten Tag, wie jeder andere auch, die Tempeltour zu buchen. Der Ticketschalter ist nahe bei den Tempelanlagen und fünf Kilometer außerhalb von Siem Reap. Für alle, die in Zukunft auch die Tempel besuchen wollen, es lohnt sich das Ticket schon am Vortag nach 17:00 Uhr zu holen, da man dadurch für den Abend noch Zugang zu den Tempelanlagen erhält. Mein Fahrrad bietet mir hier natürlich einen großen Vorteil, da ich kein überteuertes TukTuk nehmen muss. Am nächsten Morgen klingelt der Wecker also sogar schon um vier. Die Tour beginnt um 4:30 Uhr. Sie kostet 6$, wenn man ohne Guide bucht und das finde ich wiederum einen ziemlich fairen Preis, wenn man bedenkt, dass wir sechs Stunden lang durch die Gegend gefahren werden und uns fünf verschiedene Tempel anschauen können. 'Wir' sind in diesem Fall Laura und Nikki aus den USA und ich. Mit meinen Begleiterinnen habe ich ein ziemliches Glückslos gezogen. Wir verstehen uns gut und haben exakt die selben Ansprüche an unsere Tempeltour. Der Sonnenaufgang beim Angkor Wat hat wirklich etwas magisches und ist nicht grundlos so berühmt. Die Herkulesaufgabe hierbei ist es, die 6.000 anderen Touristen auszublenden, die auf der Tempelanlage sind, wenn man den Anblick wirklich genießen möchte. Wenn man alle Angebote an Kaffee- Frühstücks-, Einkaufs- und Mittagessenspausen ausschlägt, ist man ziemlich schnell den Menschenmassen voraus und so haben wir schon ab dem zweiten Tempel unsere Ruhe. Ich habe einen riesigen Fable für diese uralten Gebäude und finde die Mischung aus sandigem Boden, uralten mächtigen Bäumen, moosbewachsenen Steinformationen und verschlungenen Gängen unglaublich cool. Und so vergeht die sechsstündige Tour wie im Flug. Der anschließende Brunch fällt ziemlich üppig aus und für den restlichen Tag sollte man sich nicht mehr allzu viel vornehmen. Die Tempeltour hat sich genauso anstrengend angefühlt, wie wenn ich in der selben Zeit Rad gefahren wäre. Einen Mittagsschlaf mache ich nicht und so falle ich um neun Uhr abends komplett erschöpft ins Bett. Am heutigen Freitag wollte ich dann endlich weiter nach Phnom Penh, in die Hauptstadt fahren, wo ich mich noch einmal intensiv und live mit der unglaublich tragischen Geschichte Kambodschas auseinandersetzen möchte. Doch ein ziehen in meiner Achillessehne hat mich alamiert und dazu veranlasst, noch einen oder vielleicht sogar zwei Tage zu pausieren. Ich hatte 2015 bereits eine Achillessehnenentzündung. Es war meine schlimmste Verletzung bislang, weshalb ich damit vorsichtig bin. Aber ich bin ja auch nicht auf der Flucht.
Woche 35
Tage 238 - 244
20. - 26.4.2019
140,3 km
- Chachoengsao Reservoir; Thailand -
Five nights in Bangkok and ‚another kid‘
März 2015: Mein bester Freund William und ich sitzen in einem blauen Seat Ibiza und obwohl wir nebeneinander sitzen können wir uns nicht sehen, denn zwischen uns ragen zwei Surfbretter, beinahe
an die Windschutzscheibe. Wir sind auf dem Weg nach Frankreich, an die Atlantikküste. Genauer gesagt nach Hossegor, zwölf Tage Surfurlaub. Die Distanz, die wir von München aus mit dem Auto
fahren, entspricht ziemlich genau der Entfernung, die ich letzte Woche mit dem Fahrrad zurückgelegt habe. Wir haben für unseren Aufenthalt ein AirBNB gebucht. Als wir ankommen werden wir herzlich
von unserer Gastgeberin und ihren zwei Töchtern in Empfang genommen. Wir stellen fest, dass wir einem äußerst dummen Irrtum unterlagen, zu glauben, dass es sich bei ‚Fredérique‘ um einen
männlichen Gastgeber handelt. Wir überspielen unsere Verwunderunf und während sie uns unsere Zimmer zeigt, erklärt uns unsere Gastgeberin, dass außer den drei Damen noch ein Junge bei ihnen
wohne, ein Austauschschüler aus Thailand. Sie nennt ihn immer nur ‚another kid‘ und das finden wir reichlich komisch, denn wenn sie ihn nicht mal bei ihrem Namen nennen mag, wieso nimmt sie dann
überhaupt einen Austauschschüler bei sich auf. Beim späteren gemeinsamen Abendessen lernen wir ‚another kid‘ endlich kennen und es stellt sich heraus, dass wir auch hier wieder einem Namensirrtum
erlegen sind. Der Junge heißt nämlich Natthakit, ist 17 Jahre alt und stammt aus Bangkok.
Am Freitagabend, etwas mehr als vier Jahre später, treffe ich Natthakit in Bangkok zum Abendessen. Ich habe mal wieder Lust auf „was westliches“, er legt Wert auf Air Condition, also treffen wir
uns ganz ordinär in einer der zahlreichen Malls zum Pizza Essen. Es ist ziemlich cool ihn wieder zu sehen, denn als ich vor vier Jahren gesagt habe, dass ich ihn irgendwann in Bangkok besuchen
werde, habe ich selbst nicht so richtig daran geglaubt. Der Junge hat eine enorme Entwicklung durchgemacht. Er ist auf der Schauspielschule und verdient schon nebenbei ganz gutes Geld mit
Schauspielerei, als Englischlehrer und als Host auf englischsprachigen Veranstaltungen. Er wirkt außerdem viel lockerer und offener als noch vor vier Jahren. Wir sitzen zusammen und quatschen,
bis die Mall um 23:00 Uhr schließt. Danach gehen wir beide wieder unserer Wege.
Ich bin von der letzten Reisewoche so erschöpft, dass ich insgesamt dreimal morgens an die Rezeption schlurfe, 280 Bhat (umgerechnet 8€) auf den Tresen lege und meinen Aufenthalt um eine weitere
Nacht verlängere. Die Hitze in Thailand hat nun ihren Zenit erreicht und ich kann mir nicht vorstellen, mich wieder in das Inferno zu begeben und mich auf den Sattel zu schwingen. Stattdessen
verbringe ich lieber zahlreiche Stunden, im Schutz meines klimatisierten 4-Bett Schlafsaals und genieße die Vorzüge, in einer Großstadt alles was man braucht, direkt vor der Haustür zu haben. Zum
Beispiel ein Beer & Burger Restaurant, das auf der Getränkekarte neben vielen internationalen Bieren auch ein recht gutes deutsches Weißbier führt. In meinen schlaflosen Nächten habe ich
zuletzt häufig von Weißbier geträumt und so gönne ich mir mein erstes Weißbier seit dem 01. Juli. Ich darf zu meiner Freude sogar selbst einschenken und die Genugtuung, die mir das verschafft ist
nicht so leicht in Worte zu fassen.
Am nächsten Tag, beim Frühstück erfahre ich von den schlimmen Nachrichten aus Sri Lanka und nehme das zum Anlass einen ganzen Tag und eine ganze Nacht, den Film über das ‚Running Sri Lanka‘
Projekt fertigzustellen (https://www.youtube.com/watch?v=TlDN8Lm-Qj0&t=2s). Ich telefoniere und schreibe mit all meinen Freunden in Sri Lanka und bin
schockiert über die Brutalität dieser Anschläge und betroffen von dem Leid und der Trauer, die dadurch verursacht wurde. Einer meiner Chefs aus dem Surf-Hostel hat Freunde verloren, ein anderer
Gastgeber von mir wohnt nur einen Kilometer von einer der Kirchen entfernt. Ein weiterer Schock kommt von der Freundin, die ich als erstes anrufe. Sie liegt im Krankenhaus in Colombo, aber mit
Dengue-Fieber und hat von den Anschlägen direkt nicht viel mitbekommen. Ein mulmiges Gefühl ereilt mich auch, als ich lese, dass einer der Anschläge im Luxus-Hotel „Shangri-La“ in Colombo verübt
wurde. Hier habe ich noch vor vier Wochen meine Wäsche zum Laundry-Service gegeben, weil ich im Hostel eine Straße weiter gewohnt habe.
Am selben Abend bekomme ich noch eine Nachricht von einer Freundin aus München. Da ich gerade eine Social-Media Pause eingelegt habe, weiß sie nicht, dass ich mich bereits seit vier Tagen in
Bangkok befinde. Sie schreibt, dass sie zwar nicht glaubt, dass ich schon da bin, aber sie wollte sich mal melden, da sie mit ihrem Freund Urlaub in Thailand macht und eben in Bangkok angekommen
ist. Am nächsten Morgen treffen wir uns zum Frühstück. Es ist cool nun auch jemanden aus meinem Münchener Freundeskreis zu treffen und über Leute und Geschichten aus der Heimat zu plaudern. Ich
habe an drei von fünf Tagen Leute getroffen die ich kenne und das am anderen Ende der Welt… Mit dem Fahrrad. Irgendwie ein extrem cooler Gedanke. Wobei ich gestehen muss, dass das in mir auch ein
gewisses Heimweh geweckt hat. Ich bin nun doch schon verdammt lange von zu Hause weg. Aber ich weiß erfahrungsgemäß mittlerweile auch, dass das in Wellen kommt und auch wieder schwächer wird.
Oder?!
Am Dienstag begebe ich mich dann Schlussendlich wieder auf die Straße. Ich muss in Bewegung bleiben oder geschlossene Räume mit Klimaanlage aufsuchen, denn ohne Klima oder Fahrtwind lässt es
sich nicht aushalten. In der ersten Nacht, die ich in der Hängematte hinter einem buddhistischen Kloster verbringe, kühlt es gerade mal auf 29 Grad herunter. Ich schwitze mir einen Wolf unter
meinem Moskitoschutz und mache kaum ein Auge zu. Dementsprechend gerädert bin ich auch am nächsten Tag. Ich fahre nur 60 Kilometer. In einer Ortschaft komme ich an einem Sportplatz vorbei und
sehe ein paar Jungs Fußball spielen. Ich frage per Zeichensprache, ob ich mitspielen kann und nach einer Stunde Fußball in der Hitze, gebe ich keinen Tropfen Blut mehr. Ein Eisbein, das ich beim
Fußball bekommen habe und mein ernstzunehmendes fortgeschrittenes Level an Dehydration bringen mich dazu, dass ich an einem Reservoir, wenige Kilometer von der Ortschaft anderthalb Tage Pause vom
Radfahren nehme. Ich schreibe diese Zeilen in einem Restaurant mit WLAN und gerade hat es angefangen richtig zu schütten. Mir wird bewusst, dass der Regen zwar die gewünschte Abkühlung bringt,
ich aber, wenn ich kein Dach über dem Kopf habe, vor einem ganz anderen Problem stehe!
Wochen 33 & 34
Tage 224 - 237
06. - 19.04.2019
1.306,95km
- Bangkok; Thailand -
TorTour du Thailande und ein schönes Wiedersehen
Ich habe nun eine Woche nichts von mir hören lassen. Die Gründe dafür waren vielfältig und ich möchte heute im ersten Teil einmal ehrlich darauf eingehen, ehe ich im zweiten Teil
von den letzten beiden Wochen berichte.
Grund Nummer eins ist recht schnell erklärt und liegt in der Kilometeranzahl begründet, die bereits in der dritten Zeile zu finden ist. Ich bin in elf Tagen 1.307 Kilometer gefahren. Das sind
durchschnittlich knapp 119 Kilometer am Tag. Wer schon mal eine längere Strecke auf dem Rad gefahren ist, weiß, dass auch für Leute die es gewohnt sind, eine Radausfahrt immer nach ca. 90 bis 100
Kilometern langsam etwas zäher wird oder zumindest als „lange Fahrt“ gilt. Ich bin in meinem Leben noch nie so eine weite Strecke in solch kurzer Zeit gefahren. Nicht mal, als ich vergangenes
Jahr zur Vorbereitung auf den Iron Man, im Trainingslager auf Mallorca war und da hatte ich nicht vierzig Kilo zusätzliches Gewicht auf meinem Rad. Also habe ich in diesem Zeitraum wirklich all
meine Kräfte auf das Radfahren konzentrieren wollen und mir vorgenommen, die Zeiten in denen ich nicht gerade im Sattel sitze, wirklich zur Entspannung zu nutzen. Warum ich mich überhaupt dieser
Qual ausgesetzt habe, erkläre ich im zweiten Teil des Textes.
Der zweite Grund ist, dass ich mich aufgrund der Erschöpfung auch nicht in der Lage gesehen habe einen schönen Text zu schreiben und auch wenn es bei einem regelmäßigen Online-Tagebuch darum
geht, einfach die Gedanken und Erlebnisse zusammenzufassen und nicht darum, ein belletristisches Hauptwerk zu erschaffen, habe ich doch immer den Anspruch an mich selbst, Texte zu schreiben, die
sich meiner Meinung nach einigermaßen gut lesen lassen. Alles andere würde ich einfach nicht gerne Online stellen.
Grund Nummer drei ist, dass mein Tagebuch als Futter für eine Kolumne in einer Zeitung in meiner Heimat dient. Zunächst einmal ist es sehr erfreulich, dass eine Zeitung sich überhaupt bereit
erklärt hat, zu drucken was ich schreibe und somit habe ich auch die Chance jeden Samstag Menschen zu erreichen, die mir nicht online folgen (können) bzw. hat dadurch meine Reichweite zu Beginn
der Reise sicher auch einen kleinen Push bekommen. Diese Medaille hat jedoch für mich auch eine dicke Kehrseite und gerade in schwierigeren Momenten, macht man sich häufig besonders über die
negativen Aspekte viele Gedanken.
Dadurch, dass die Geschichten nämlich in jeder Samstagsausgabe erscheinen, habe ich mich darauf festgelegt, meine Updates immer freitags zu schreiben und auch
wenn eine gewisse Regelmäßigkeit für alle beteiligten angenehm ist und auch die Leute die mir Online folgen, wissen: „Am Wochenende kann ich wieder beim Marc reinschauen und da gibt es dann eine
neue Geschichte zu lesen“, entsteht für mich dadurch natürlich auch ein gewisser Druck und häufig verspüre ich auf meiner Reise eben gerade den Wunsch, solche Formen des äußerlichen Drucks
abzulegen. Das ist mein eigenes Verschulden und nicht das der Zeitung! (nachträgliche Anmerkung)
Viel entscheidender ist jedoch, dass die Zeitung sich hauptsächlich deshalb dafür entschieden hat über meine Geschichte zu berichten, weil ich im Landkreis meiner Heimat nur als „der Sohn der
Brauereifamilie Bernreuther“ bekannt bin. Und genau als der werde ich nun auch seit 33 Wochen betitelt. Meinen Vornamen haben sie in der vorletzten Ausgabe sogar falsch geschrieben. Und das ist
ehrlich gesagt der Punkt, der mich von allen am meisten stresst. Nicht, dass mein Name falsch geschrieben wird, das passiert mir jeden Tag. Sondern, dass auf dieser Verbindung zwischen mir
und der Firma meiner Mutter so krass beharrt wird. Das gibt nicht nur mir als eigenständiger Person, die in keiner bedeutenden Verbindung zu der Brauerei steht, ein mieses Gefühl, sondern dadurch
entsteht für Außenstehende auch der Eindruck, dass die ganze Geschichte eine große Promo-Nummer für die Brauerei ist und ich mir die Reise schön bezahlen lasse. Dass ich seit dem Tag meiner
Abfahrt im Pyraser Trikot unterwegs bin, rundet diesen Eindruck nur ab. Das ist jedoch weit fernab der Realität und, dass ich jeden Tag mit einem sehr knappen Budget rechnen muss und es dennoch
ganz eng wird mit der Kohle, wird von einem Großteil der Menschen nicht wahrgenommen. Es sollte mir egal sein, was andere Leute von mir denken, aber in diesem Punkt bin ich empfindlich. Schon zu
Beginn der Reise, habe ich mir über genau diesen Punkt viele Gedanken gemacht, doch ich habe es gerne hingenommen, da mir meine Mutter und auch die Brauerei als Unternehmen in den letzten Jahren
und auch im Bezug auf die Reise und den dazugehörigen Vorbereitungen tatkräftig unter die Arme gegriffen hat. Doch der allergrößte Teil dessen, was ich auf diesem Weg erreicht und geschaffen
habe, ist eben mein eigener Verdienst und den abgesprochen zu bekommen, wäre verletzend.
Und auch an dieser Stelle kommt den Herausgebern der Zeitung keine Schuld zu, sondern das ist etwas,
das ich selbst vor Beginn der Reise so in die Wege geleitet habe. Jedoch ein Faktor, über den ich im Nachhinein häufig gestolpert bin und mir dabei die Zehen verstaucht habe! (nachträgliche
Anmerkung)
Und an vierter Stelle kam bei mir schließlich noch ein wenig Frust darüber auf, dass trotz stunden- bzw. tagelangen Schreibens, Videoschneidens und Webseite Umbauens, immer weniger Leute auf
meine Homepage klicken oder meine Videos anschauen. Das ist natürlich frustrierend, da jeder der so etwas macht, erwartet, dass er seine Reichweite eher erhöht, statt verkleinert. Jedoch muss ich
sagen, dass ich über diesen Frust recht schnell und einfach hinwegsehen kann, wenn ich mir vor Augen führe, wie viele wunderbare Nachrichten ich schon von Leuten bekommen habe, die an irgendeinem
Punkt an diesem Projekt in Gedanken teilgenommen haben. Außerdem ist der Anspruch den ich hier an den Tag lege, natürlich auch mal wieder komplett verkehrt! Klar sind ein paar hundert Klicks auf
Youtube nichts, wenn man es mit den Abertausend oder -millionen anderer Videos vergleicht.
Aber wer anfängt zu vergleichen ist auch bescheuert. Stattdessen sollte ich mir vor Augen führen, dass
ein paar hundert Leute meine Videos anschauen und meine Texte lesen. Das ist der Hammer! Dementsprechend geht hier ein dicker Gruß an euch alle raus und vor allem an diejenigen, die immer so
fleißig dabei sind. Das ist verdammt cool und vielen Dank!!!
So und nun zum spannenden Teil!
In den letzten beiden Wochen habe ich viel erlebt! Nachdem ich das letzte Mal geschrieben habe, bin ich direkt an die thailändische Grenze gefahren. Diese habe ich jedoch nicht direkt überquert,
sondern habe mich ganz spontan entschieden, noch einen Abstecher an die Hafenstadt Kota Bharu zu machen. In Khota Baru fand ausgerechnet an diesem Abend ein CityRun statt. Leider habe ich das
erst erfahren, als ich auf der Suche nach Abendessen, plötzlich hunderte Menschen in Laufklamotten und mit Startnummern durch die Stadt habe pilgern sehen. Ich bin der Menge dann gefolgt, habe
mir an einem der vielen Streetfood Stände etwas zu Essen geholt und mir dann den Start angeschaut. In diesem Moment war ich eigentlich ziemlich glücklich, ausnahmsweise nicht selbst hinter der
Startlinie zu stehen, weil meine Beine vom Radfahren ja schon müde genug waren. Trotzdem kann ich nicht leugnen, dass es mir in den Füßen gekribbelt hat.
Am nächsten Tag stand „Pause“ auf dem
Plan und ich habe die Zeit genutzt, um einen dicken Stapel Postkarten in Richtung Heimat zu schicken. Dafür habe ich beinahe den ganzen Tag gebraucht, es ist nämlich zeitaufwändiger als man
denkt. Am Sonntag war es dann schließlich soweit, dass ich meinen Esel wieder gesattelt habe und mich auf den Weg zur thailändischen Grenze begeben habe. Mit der Fähre ging es über den Fluss und
somit auch über die Grenze. Auf der anderen Seite musste ich dann mehreren sehr wichtigen Beamten erklären, dass ich kein Flugticket besitze, um das Land wieder zu verlassen, da ich ja
schließlich mit dem Fahrrad reise und, dass ich ihnen leider auch keine Hotelbuchungen vorlegen könne und ja, mein Zielort ist „the border to Cambodia“. Ich muss mich in solchen Momenten immer
enorm am Riemen reißen, denn obwohl ich weiß, dass man mit Freundlichkeit immer weiter kommt als wenn man genervt ist und obwohl ich weiß, dass diese Herren auch nur ihren Job machen, werde ich
einfach nie das Gefühl los, dass die meisten dieser Herrschaften in Uniform gegen einen Minderwertigkeitskomplex kämpfen und die künstliche Autorität ihrer Beamtenrüstung schamlos ausnutzen, um
andere Leute zu drangsalieren. Doch auch diese Hürde ließ sich nach einer knappen Stunde des Wiederkauens meiner eigenen Geschichte überwinden und so habe ich nach langen vier Monaten, mal wieder
eine Landesgrenze mit dem Fahrrad passiert. Das letzte Mal ist das von UAE in den Oman erfolgt, stell sich das mal einer vor!
Mit dieser Grenzüberschreitung ging dann auch die ‚TorTour du Thailande‘ los, wie ich es nun im Nachhinein liebevoll nennen mag. Um aber ehrlich zu sein, muss ich sagen, dass es zunächst
überhaupt keine Tortour war. Der Süden Thailands ist nämlich wunderschön und ich konnte einzigartige Landschaften durchqueren. Das einzige Manko ist tatsächlich die enorme Vermüllung des Landes.
Was bereits vor der eigenen Haustür (in Österreich) anfängt und sich wie ein roter Faden durch meine Reise gezogen hat, ist dass ich in der Natur unwahrscheinlich viel Müll sehe. Ich habe das an
vielen Stellen auf meiner Reise bereits dokumentiert und kommentiert, so eine riesige Sauerei wie in Thailand habe ich jedoch bislang noch nirgendwo erlebt und wenn man in ein Geschäft in
Thailand geht, bekommt man auch die Frage beantwortet, wo der Ärger herkommt. Einzeln in Plastik verpackte Bananen (wohlgemerkt Früchte mit einer recht robusten Schale), doppelt verpackte
Kekspackungen (einzeln verpackte Kekse in einer größeren Verpackung) und alles in Mini Portionen. Möchte man beispielsweise Erdnüsse kaufen, gibt es diese meist nur in 35 Gramm Packungen, also
kauft man halt fünf davon. Ein weiteres Problem ist der enorme Boom der zahlreichen Kaffeeketten, die es hier gibt. Dort bekommt man auch als Gast, der in dem Restaurant bleibt, seinen Kaffe in
einer großen Plastikdose mit einem Strohhalm serviert. Als ich das zum ersten Mal erlebt habe, bin ich vom Glauben abgefallen und nehme seitdem immer meine Campingtasse mit in den Coffeeshop.
Weil mich das so schockiert hat, habe ich zum ersten Mal das in Angriff genommen, was ich mir schon häufiger auf meiner Reise vorgenommen habe und bin unterwegs, an Stellen, wo ich Pause gemacht
habe oder es mir besonders schlimm vorkam, angehalten um Müll zu sammeln, ein Paar große Müllsäcke voll zu machen und sie irgendwo anständig zu entsorgen. Problem hierbei war hauptsächlich, die
Müllsäcke zu transportieren und ich habe mir einige Male einen Anhänger für mein Fahrrad gewünscht. Eine Idee für die Zukunft, die ich irgendwann noch in die Tat umsetzen möchte.
Ein weiteres
persönliches Highlight für mich war, als ich den ganz südlichen Teil Thailands an der Grenze zu Malaysia verlassen habe und merklich vom muslimischen Teil des Landes, in den buddhistischen Teil
gekommen bin. Ich war seit dem Iran ausschließlich in islamischen Ländern unterwegs und ganz ohne eine Wertung einbringen zu wollen, kann ich einfach nur sagen, dass es für mich für
außerordentliche Entspannung gesorgt hat, plötzlich nicht mehr fünf Mal täglich, den Gesang eines Muezin in den Ohren zu haben und von ebendiesem Gesang jedes Mal beim Campen geweckt zu werden.
Dies ist ein heikles Thema, das man nicht in den falschen Hals bekommen darf! Ich lege äußersten Wert darauf zu betonen, dass ich
größten Respekt davor habe, dass Leute frei ihre Religion ausleben können. Ich bin als Gast in diesen Ländern herzlich empfangen worden und kann und will überhaupt keinen Anspruch darauf stellen,
dass sich irgendetwas daran ändert. Es ist ein Privileg, dass ich diese fremden Länder besuchen kann/darf und am Leben der Leute teilnehmen durfte. Nach sechs Monaten freute ich mich jedoch über
die Abwechslung. (nachträgliche Anmerkung)
Außerdem finde ich die Tempel und Buddha-Statuen in sämtlichen Ausführungen einfach hübsch und es sorgt wirklich für ein schönes Landschaftsbild.
Eine große Schwierigkeit ergab sich für mich mit der Ernährung, denn was in Malaysia bereits begonnen hat, dass es kaum Gerichte ohne Fleisch gibt, wurde in Thailand noch extremer. Hier habe ich
wirklich enorme Schwierigkeiten Restaurants zu finden, die vegetarische Gerichte anbieten und da ich das nötige Ersatzteil, um meinen Campingkocher in Betrieb zu setzen erst in Bangkok erhalten
sollte, musste ich mich häufiger meinem Schicksal ergeben und ein vegetarisches Gericht „only with chicken“ zu mir nehmen.
Wo wir auch schon bei dem Grund sind, warum ich es mir in den letzten zwei Wochen überhaupt so gegeben habe. Ein Freund von mir hat mich angeschrieben und mir mitgeteilt, dass er zusammen mit
seiner Frau Urlaub in Thailand machen wird und er sich freuen würde mich zu sehen und mir außerdem auch gerne etwas aus Deutschland mitbringen kann. Der Versuchung zahlreiche Genussmittel
aufzuzählen, habe ich widerstehen können und behalte mir somit noch einen Teil der Vorfreude auf die Heimat bei. Jedoch war es für das Ersatzteil perfekt, da ich mir nicht sicher war, ob ich es
in Thailand so einfach finden würde. Außerdem bat ich ihn, mir anständiges Mückenspray mitzubringen. Das richtig giftige aus der Apotheke. Denn selbst wenn es das hier gäbe, ich kann die
Etiketten nicht lesen und weiß daher nicht, was man sich bedenkenlos auf die Haut schmieren kann und was nicht. Und so kam es dann, dass wir uns für die Zeit verabredet haben, die sie in Bangkok
sein würden, da sich das einigermaßen mit meinen Plänen überschnitt und deshalb bin ich diese Monsterstrecke in dem kurzen Zeitraum gefahren. Zugegebenermaßen, die letzten drei Tage bin ich
wirklich auf dem Zahnfleisch gekrochen. Meine Haut hat unter Sonne, Schmutz und Schweiß enorm gelitten, der Hintern hat wehgetan und die Muskeln waren irgendwann komplett steif. Als ich in
Bangkok angekommen bin, konnte ich nicht mal mehr einen anständigen Schulterblick machen, weil mein Nacken so steif war. Und die Temperaturen, um die vierzig Grad haben natürlich auch dafür
gesorgt, dass ich trotz 15 Liter Wasser mit Elektrolyten am Tag eigentlich dauerhaft am Rande der Dehydration stand.
Doch all diese Strapazen waren es Wert, als ich von meinen Freunden in
Bangkok zum Abendessen und danach noch auf ein Bier eingeladen wurde. Wir hatten einen unglaublich schönen Abend und die Großzügigkeit der beiden treibt mir noch beim Schreiben dieser Zeilen die
Tränen in die Augen. Durch diese Reise wird mir so oft klar, wie viele tolle Menschen ich bereits in meinem Leben habe, die mir ein so großes Maß an Liebe entgegen bringen, dass ich darüber
häufig nur im Unglauben den Kopf schütteln kann.
In diesem Sinne! Frohe Ostern euch allen!
Woche 32
Tage 217 - 223
30.03. - 05.04.2019
593,16km
- Kotha Baru; Malaysia -
Im Einklang mit der Natur?!
Ich denke, ich bin so langsam wieder bei dem Kern meiner Reise angekommen. Damit meine ich so, wie ich es in Europa begonnen habe zu reisen. Seitdem habe ich einiges ausprobiert. Im Iran habe ich
so ziemlich jedes Angebot von freundlichen oder weniger freundlichen Gastgebern angenommen und habe somit häufig die Entscheidungsgewalt, was mit mir passiert und wohin ich als nächstes gehe,
fahre oder gefahren werde abgegeben. In den Vereinigten Arabischen Emiraten und im Oman habe ich ausprobiert, wie es ist in einer Gruppe von zwei oder mehr anderen Radfahrern zu reisen. Und in
Sri Lanka bin ich gezwungenermaßen erst ohne Rad gereist und später an einem Ort verharrt, ehe ich innerhalb von drei Wochen zu Fuß die Insel überquert habe. Zugegeben, letzteres hat mir enorm
viel gegeben und Spaß gemacht und ich würde es jederzeit wieder machen. Dennoch war es wohl auch das brutalste, was ich in meinem Leben je gemacht habe und wäre so in dieser Form, nicht über
einen längeren Zeitraum möglich gewesen.
Nun bin ich seit zwei Wochen in Malaysia. Ich bin wieder alleine unterwegs und bin in diesen zwei Wochen bereits fast 1000 Kilometer geradelt. Die meisten Nächte habe ich in der Hängematte, im
Zelt oder in verlassenen Häusern verbracht. Auf dem Speiseplan standen häufig Nudeln mit Tomatensoße, Porridge und andere Gerichte, die man leicht mit der Flamme eines Campingkochers zubereiten
kann. Meine Route habe ich so ausgesucht, dass ich mich vorab erkundigt habe, welche die touristischen Gegenden und Hauptattraktionen sind, um anschließend bewusst in die andere Richtung zu
fahren. Meine persönlichen Hauptattraktionen waren eher Berge, Parks, Strände und Wasserfälle, die mehr oder weniger auf meiner Strecke lagen und wo ich häufig der einzige Europäer war. Wenn ich
eine Stadt angesteuert habe, dann nur, wenn es dort ein Schwimmbad gab, um mich zu erfrischen und ein paar Bahnen zu ziehen, anschließend den Proviantbeutel aufzufüllen und wieder ins Land hinaus
zu fahren.
Mein größter und einziger Herausforderer hierbei sind weder andere Menschen, noch ständiger Lärm, ich hatte keine Pannen und es gab auch kaum „unpassierbare“ Straßen. Nein meine größte
Herausforderung ist schlicht und ergreifend das Wetter. Tagsüber ist es direkt ab Sonnenaufgang meist unerträglich heiß, mit Temperaturen bis 40 Grad und einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit. In der
Nachmittagssonne kommt es mir manchmal so vor als würde ich bald verbrennen und das Atmen beim Bergauffahren geht schwer. Das einzige was einen da retten kann, sind die Regenschauer, die hier zum
Glück regelmäßig stattfinden. Doch sie sind gleichzeitig der zweite Problemfaktor, denn wenn es hier regnet, dann regnet es richtig. So hat es in einer Nacht so stark geschüttet, dass es auch in
meinem Zelt geregnet hat, weil die Wassersäule des Außenzeltes, den Wassermassen des Himmels nicht standgehalten hat und ich durfte in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, Zeuge des wohl
heftigsten Gewitters werden, das ich je miterleben durfte. Zum Glück habe ich mich in dieser Nacht, weit abseits von Zivilisation in einem verlassenen Restaurant niedergelassen und konnte so, im
Trockenen an einem kleinen Lagerfeuer sitzen (es war eine überdachte Terrasse) und mir das Spektakel aus nächster Nähe anschauen. Wenn es nachts nicht schüttet, ist es meist so neblig und
dampfig, dass bereits in den späten Abendstunden alle Klamotten und Schlafsäcke (dick und dünn) komplett feucht sind und es kein großer Genuss ist, sich damit zuzudecken oder sie als Kopfkissen
zu benutzen.
Und trotzdem oder vielleicht gerade deswegen, waren die letzten zwei Wochen, wohl mit die besten meiner gesamten Reise. Ich brauche keine Attraktionen und auch keine Parties. Ich will kein fünf
Sterne Hotel (OK, manchmal wäre dieser Luxus schön!) und ich bin auch nicht darauf angewiesen, dass ich mich regelmäßig mit jemandem unterhalten kann.
Ich habe gelernt, dass ich am meisten Spaß
habe, wenn ich eine schöne Straße vor mir habe, nach rechts und links schauen und atemberaubende Landschaften sehen kann. Ich genieße es, wenn es um mich still ist, ich alle halbe Stunde mal von
einem Auto überholt werde und ich ansonsten nur einem Hörbuch oder den Klängen der Natur und dem beruhigenden Klackern des Freilaufs meines Fahrrads lauschen kann. Ich liebe es zu schwitzen und
am Berg auch mal zu leiden, um mich anschließend freuen zu können, dass es bergab wieder Fahrtwind gibt und ich für zwei Minuten nicht treten muss. Und kein Kaffee schmeckt besser als der, den
man morgens, aus dem Zelt heraus in einer kleinen Espressokanne zubereitet und zusammen mit ein paar Keksen zum Sonnenaufgang trinkt.
Ohne Frage: Das Reisen in einer Gruppe kann toll sein und es
ist wunderbar seine Erfahrungen und Erlebnisse mit anderen teilen zu können. Auch Luxus und klassisches Sightseeing können erfüllend und schön sein, vor allem wenn es zusammen mit den richtigen
Leuten erfolgt. Und natürlich gibt es jeden Tag Momente, in denen ich mir einen Motor unter meinen Hintern wünsche. Doch für den Moment, bin ich glücklich, wieder zu dem zurückgefunden zu haben,
was mir besonders am Anfang meiner Reise so viel Freude bereitet und einen Kick gegeben hat und ich hoffe dieses Momentum nun für den Rest meiner Reise aufrecht erhalten zu können.
Á propos Rest der Reise. Die Aufmerksamen unter euch werden sich eventuell nach dem Lesen des letzten Artikels gefragt haben: „Ja und wieso is er jetzt nicht nach Indien geflogen sondern nach
Malaysia?!“ Ja! Diese Frage ist berechtigt! Doch auf die Antwort werdet ihr noch ein bisschen warten müssen. Es sei nur so viel gesagt: Es gibt eine Route, an der nun festgehalten wird und es
gibt nun auch einen festen Zeitplan… Und am Ende des Ganzen, steht für mich ein großes Ziel! Und wenn ihr erfahren wollt was das ist, dann müsst ihr noch ein bisschen dran bleiben, an meinen
Geschichten! ;)
Woche 31
Tage 209 - 216
23.03. - 29.03.2019
- Cherating; Malaysia -
Alles Sahne in Malaysia
Das ich nun wieder fliegen muss, war so ja eigentlich nicht gewollt. Ich bin zunächst aus recht pragmatischen Gründen nach Sri Lanka geflogen: Vom Oman aus hätte ich über den Landweg entweder
zurück in die Emirate fahren können oder in den Jemen. Beides war für mich keine Option. Im Jemen herrscht gerade Krieg und zurück in die Emirate zu fahren, hätte sich wie ein Rückschritt
angefühlt. Geschweige denn, dass ich von dort aus auch höchstens mit dem Flugzeug reisen, nach Saudi-Arabien radeln oder mit der Fähre zurück in den Iran hätte fahren können. Durch den Iran und
dann den Irak nach Indien zu fahren war auch keine Option. Also konnte ich auch gleich vom Oman aus in den Flieger steigen. Der Flug von Muscat nach Sri Lanka war mit Abstand der günstigste, ich
hatte 40 Kilo Freigepäck, was perfekt für mein Fahrrad gepasst hat und in Sri Lanka kann man sehr schnell und einfach an ein Indien-Visum kommen. Außerdem würde ich so nur einmal fliegen müssen,
denn schließlich ist Sri Lanka ja so nah am indischen Festland, dass man von Mannar beinahe rüberspucken kann. Doch gerade in diesem letzten Punkt hatte ich mich gehörig geschnitten. Denn trotz
der geographischen Nähe der beiden Länder, wurde sämtlicher Fährverkehr zwischen Indien und Sri Lanka bereits in den achtziger Jahren eingestellt. Daran hätte ich nicht mal im Traum gedacht,
weshalb ich das auch erst festgestellt habe, als ich bereits in Sri Lanka angekommen war. Ich würde von der Insel also in jedem Fall wieder fliegen müssen. Das wollte ich eigentlich vermeiden.
Zum Einen, weil ich mir mit dieser Reise ja unter anderem zum Ziel gesetzt habe, möglichst emissionsfrei zu reisen, womit ich in diesem Fall kolossal gescheitert bin. Und zum Anderen, weil das
Fliegen mit dem Fahrrad immer mit einem gewissen Stress verbunden ist. Man muss es sorgfältig einpacken, wofür man die passende Kartonage organisieren muss. Man muss das Fahrrad häufig im Vorfeld
bei den Fluggesellschaften als Sperrgepäck anmelden und verbringt unnötige Stunden in Warteschleifen am Telefon und selbst dann, ist es immernoch eine Zitterpartie, ob sie einen dann letzten
Endes mit dem sperrigen Gepäck an Board lassen. Zumindest kommt es mir immer so vor.
Anstatt mein Fahrrad wie beim letzten Mal in einem Geschäft einpacken zu lassen, bastle ich mir diesmal aus drei kleineren Kartons, selbst eine passende Verpackung. Damit bin ich wesentlich
zufriedener als beim letzten Mal. Ich muss am Rad weniger auseinander bauen und trotzdem ist der Karton kleiner. Aber auch diesmal muss ich den Karton wieder für teures Geld am Flughafen
versiegeln lassen. Wahrscheinlich besser so! Mein Flug geht um ein Uhr nachts und ich habe normalerweise im Flieger keine Probleme zu schlafen, zumal ich einen Sitzplatz am Notausgang gebucht und
somit richtig viel Beinfreiheit habe. Doch auf diesem Flug gibt es einen eigenen Fernseher und ein richtig gutes Filmangebot, weshalb ich nur sehr kurz die Augen zu machen kann, ehe der Flieger
schon wieder zur Landung ansetzt. Um sieben Uhr Ortszeit stehe ich vor dem Kuala Lumpur International Airport und meinem verpackten Rad und schaue wahrscheinlich etwas zerknatscht aus. Jetzt hier
am Flughafen rumzulungern und auf bessere Zeiten zu warten macht wenig Sinn, also mache ich mich ans auspacken und zusammenbauen. Alles ist unversehrt und nach einer dreiviertel Stunde bin ich
bereit zur Abfahrt. Zum Vergleich: Beim letzten Mal habe ich einen ganzen Tag gebraucht, weil die guten Jungs aus dem Bikeshop in Muscat das Rad komplett zerlegt haben.
Auf welcher Straßenseite
fährt man hier eigentlich?! Die Taxen vor dem Flughafenterminal sind alle rechtsgelenkt, also gehe ich mal von Linksverkehr aus. Und wo will ich eigentlich hinfahren?! Ich stelle fest, dass ich
durch die Diebstahlgeschichte an meinem vorletzten Tag in Sri Lanka, die ganze Vorbereitung vergessen habe. Einen groben Plan habe ich jedoch im Kopf und so steuere ich erstmal in die geplante
Himmelsrichtung. Sobald ich ein anständiges Café zum Frühstücken finde, kann ich mir bei einer Tasse Kaffee eine Strategie überlegen, vorher bin ich dazu ohnehin nicht im Stande. Doch wie immer
wenn ich keinen Plan im Kopf habe, wirft mir das Schicksal die passende Antwort direkt vor meine Füße. Noch bevor ich die Stadt erreiche, fahre ich an einer Outlet-Shopping-Mall vorbei. Ich muss
einige Dinge ersetzen, zum Beispiel muss ich mir ein neues Zelt zulegen, und wenn ich das auch noch zu rabattierten Preisen tun kann, wäre das optimal. Außerdem gibt es in Malls immer auch guten
Kaffee. Also gebe ich mein Fahrrad in die Obhut des Parkwächters und gehe in die klimatisierte Mall. Vier Stunden und drei Tassen Kaffee später komme ich schwer bepackt und ein wenig geknickt
wieder auf dem Parkplatz an. Geknickt weil ich um beinahe 500€ ärmer bin. Aber ich war recht erfolgreich. Ein wasserdichter Rucksack, ein anständiges Zelt, eine Stirnlampe, einen neue Sporthose,
eine Powerbank und eine „versteckte-Bauchgurt-Geldbörse“ sind die Ausbeute. Bis auf das Handy, die Uhr, das Kindle und die Isomatte konnte ich also alles ersetzen und diese vier Gegenstände sind
für die Fortführung meiner Reise nicht essenziell. Ich bin zufrieden mit dem Einkauf und meinem neuen Setup und der Ärger über das Geld ist recht schnell wieder verflogen. Ich habe jetzt nämlich
andere Sorgen. Es hat 38 Grad und ich habe das Gefühl zu verbrennen! Zum Glück fängt es eine Stunde später an zu regnen. Das dafür so heftig, dass ich auch nicht wirklich weiterfahren kann.
Zusammen mit 45 Motorradfahrern stehe ich unter einer Brücke und erfahre, dass das für diese Leute zum Alltag gehört. Ich bin müde und habe auch nicht mehr genug Zeit die 40 Kilometer, bei diesem
Wetter durch die Stadt zu radeln und so beschließe ich, online nach Jugendherbergen und Hostels in meiner Umgebung zu schauen. Irgendwie muss man die Zeit unter der Brücke ja überbrücken. Die
Unterkünfte sind teuer, verglichen mit den Preisen für Essen beispielsweise, doch ich finde ein Bett für umgerechnet 6€ nur wenige Kilometer von mir entfernt. Sobald der Regen etwas nachlässt,
radle ich die wenigen Kilometer zur Unterkunft. Ich schaffe es noch in einem SB Waschsalon meine Wäsche zu waschen, was dringend nötig war, und zu Abend zu essen, ehe ich wie erschlagen um acht
Uhr ins Bett falle und elf Stunden durchschlafe.
Ich brauche drei Tage bis an die Ostküste. Die Tage sind unter anderem geprägt von der enormen Hitzewelle, die hier gerade herrscht. Ich habe einen steilen Berg zu bewältigen und bekomme dafür
als angemessene Belohnung auch eine wunderbare Abfahrt. Die Straßen sind meist wirklich gut und campen ist hier kein großes Problem, wenn man die Hitze und die Insekten ein wenig ausblendet. Es
gibt viele kleine Shops, bei denen man Wasser kaufen kann und auch regelmäßig Restaurants, mit gutem und günstigem Essen. Das Reisen mit dem Rad macht hier also wirklich viel Spaß! Doch das
allerschönste für mich persönlich ist, dass nur noch ganz selten gehupt wird, wenn ich vorbeifahre. Die meisten Leute rufen etwas oder strecken den Daumen aus dem Fenster. Grundsätzlich ist es
hier wesentlich ruhiger als in Sri Lanka und ich merke, wie unfassbar positiv sich das auf meine Stimmung auswirkt. Wäre ich direkt aus Deutschland hierher gekommen, würde ich sicher anders
darüber denken. Aber der Kontrast, nach dieser akustischen Abhärtungskur, versetzt mich in einen dauerhaften Zustand der Ausgeglichenheit. Malaysia gefällt mir bislang also sehr gut und ich freue
mich hier angekommen zu sein!
Woche 30
Tage 202 - 208
16.03. - 22.03.2019
- Negombo; Sri-Lanka -
Diebstahl
Die letzten beiden Wochen waren sehr turbulent. Letzten Freitag haben Pete und ich mit einem 73 Kilometer Run das Projekt „Running Sri Lanka“ beendet. Nach diesem Tag, habe ich erstmal eine
gehörige Portion Erholung gebraucht. Da ich nun aber wieder in Weligama war, war die Zeit gar nicht so erholsam wie erhofft. Ich habe viele Freunde wieder getroffen und es wurde, in dem Hostel in
dem ich vor dem Projekt gearbeitet habe, sogar eine Party zu meinen Ehren veranstaltet. Ihr könnt euch vorstellen, wie die Jungs geschaut haben, als ich um kurz nach elf gesagt habe, dass ich
mich jetzt leider ausklinken und in mein Schlafgemach zurückziehen muss. In weiser Voraussicht, habe ich ein Zimmer in einem anderen Hostel genommen und so konnten sie mir zum Glück keinen Strich
durch die Rechnung machen und ich hatte meine Ruhe.
Und auch sonst, gab es eine Menge zu tun. Ich musste mein Fahrrad nach der langen Pause einmal grundsanieren, die salzige Luft, hat einigen Teilen nicht gut getan. Ich wollte meine Abreise anständig vorbereiten und noch ein paar letzte Aufnahmen, für den geplanten Film über das Laufprojekt drehen. Meine Entspannung holte ich mir also eher durch eine Massage, die ich mir gegönnt habe und einer Menge guten Essens.
An meinem letzten Abend in Weligama, haben die Betreiber meines Hostels, wegen des anstehenden Vollmonds eine „bonfire night“ veranstaltet. Der Tag des Vollmonds, ist in Sri Lanka ein Feiertag, weshalb man am Abend davor entspannt und ausgelassen feiern kann. Für die Feier sind wir auf eine Anhöhe, außerhalb Weligamas gefahren, haben den Sonnenuntergang angeschaut und konnten gleichzeitig aufs Meer hinabblicken. Dann gab es ein Lagerfeuer mit Stockbrot und Kartoffelsalat (die Gastgeberin stammt nämlich vom Bodensee) und ich war plötzlich wieder im Kindergarten. Anschließend wurde bis Mitternacht getanzt. Es war der schönste Abend, den ich während meines gesamten Sri Lanka Aufenthalts hatte und ein gebührender Abschluss für die lange Zeit, die ich dort verbracht habe.
-
Am nächsten Tag darf ich dann endlich wieder in die Pedale treten. Es ist wie immer sehr heiß! Trotzdem macht es mir richtig Spaß, wieder aufzubrechen, die gewohnte Position in meinem Sattel
einzunehmen und die mir bereits bekannte Strecke entlang der Küste, Richtung Colombo zu radeln. Nach 112 Kilometern ist tageslichtbedingt Schluss und ich suche mir einen Platz zum Übernachten.
Ich werde schnell fündig! Ein richtiger Sahneplatz, zwischen zwei Palmen, ca. 50 Meter vom Meer entfernt. Fernab von der lauten Straße. Es ist beinahe nur das Rauschen des Meeres zu hören, eine
stille, die ich so in Sri Lanka so auch noch nicht erlebt habe.
Als ich meine Hängematte aufspanne, kommt ein betrunkener Mann, Mitte 30 und mit schlechten Zähnen und fahlen Augen zu mir. Er hatte mich schon beobachtet, als ich mich dem Strand genähert habe.
Ich habe inzwischen nur noch ganz, ganz selten Lust, die immer wieder gleichen Fragen der Einheimischen zu beantworten und mit Betrunkenen unterhalte ich mich grundsätzlich nicht besonders gerne,
wenn ich nicht selbst betrunken bin. Doch ich bin in Höchststimmung und der Mann ist zudem extrem hartnäckig, alsocbeantworte ich ihm brav das klassische „Where you from? Where you going? You
like Sri Lanka?“, in der Hoffnung, dass er dann locker lassen würde. Doch dem ist nicht so. Er beobachtet mich weiter, wie ich meine Hängematte aufspannte und mein Handtuch und trockene Kleider
aus meiner Packtasche hole. Währenddessen fragt er mich so oft: „coconut?“, bis ich auch hier, resigniert mein „no, thank you“ in ein einfaches „yes“ wechselt.
Interessiert, schaue ich dem Betrunkenen zu, wie er, einem Affen gleich, ohne Hilfsmittel und ungesichert, eine etwa 15 Meter hohe Palme hochklettert und drei Kokosnüsse auf den Boden wirft. Mir geht durch den Kopf, dass ich mit meiner leichtfertigen Antwort, wohl bald ein Menschenleben auf dem Gewissen haben würde, doch der Mann klettert ebenso routiniert die Palme wieder hinab und kommt sicher auf dem Boden an. Erstaunlicherweise wirkt der Mann beim Klettern äußerst agil, auf dem Boden jedoch eher unbeholfen und ungeschickt.
Indem er die eine Kokosnuss mehrfach auf die anderen donnert, öffnet er zwei der drei Nüsse und reicht mir eine davon. Durch die rabiate Art und Weise des Öffnens, ist kaum noch Flüssigkeit darin, ich freue mich trotzdem darüber. Doch die alles entscheidenden Frage bleibt weiterhin ungeklärt: Wie werde ich den Typen wieder los? Ich habe mich mittlerweile meiner Radkleidung entledigt und stehe nur noch mit dem Handtuch bekleidet da. Dann bedanke ich mich nochmal mit einem Handschlag bei ihm und sage: „Goodbye!!“ - keine Reaktion. Dann eben ignorieren! Ich gehe also die restlichen paar Meter zum Strand, lege das Handtuch ab und springe ins Meer. Um meine Sachen mache ich mir nur bedingt sorgen, ich behalte den Typen im Blick und auch wenn er ein guter Kletterer ist, davonlaufen wird er mir nicht können. Der Wink mit dem Zaunpfahl, dass ich mich verabschiedet und dann nackt in die Wellen gesprungen bin, zeigt bei dem Burschen weiterhin keine Wirkung. Als ich wieder aus dem Wasser komme und mich abtrockne, steht er immer noch da und schaut mich weiter mit seinen hohlen, glasigen Augen an. Ich werde deutlicher: „I want to be alone! Please leave me alone! Go away! Go home!“ Dazu Handzeichen, die in alle Richtungen deuten, außer zu meinem Lager. Er versteht nichts. Doch meine lauter werdende Stimme, die Gestik und die Tatsache, dass ich offensichtlich wütend werde, kommen langsam bei ihm an. Er nimmt Abstand.
Nennt mich einen Unmenschen, jemanden, der sein Leben auf’s Spiel gesetzt hat, um mir eine Koksnuss vom Baum zu holen, so grob wegzuschicken und nicht einfach drüber zu stehen, doch ich habe
nach einem anstrengenden Tag keine Lust, beim Waschen und zu Bett gehen, von einem betrunkenen Mann beobachtet zu werden. Das geht mir einfach eine Spur zu weit.
Ich gehe zurück zu meinem Lager und sehe, dass der Typ mir nicht mehr folgt. Als ich mich angezogen, erschöpft und zufrieden in meine Hängematte sinken lasse, sehe ich, dass der Typ mich von
einem Gebüsch aus weiter beobachtet. Als ihn mein Blick trifft, versteckt er sich und als ich zu aufstehe, verzieht er sich endlich. Mir kommt das Ganze schon ein wenig merkwürdig vor, weshalb
ich nachdem das passiert ist auch noch beinahe drei Stunden wach bleibe.
Es ist mittlerweile stockdunkel und ich richte alles her. Meine Packtaschen am Fahrrad verschließe ich, das Fahrrad lehnt abgesperrt an dem Baum, am Kopfende meiner Hängematte. Am selben Baum lehnt mein großer Wanderrucksack, den ich für das Runningprojekt gekauft hatte. In ihm steckt mein Zelt, meine Iso-Matte, ein wenig Proviant und mein kleinerer Trinkrucksack, den ich normalerweise zum Laufen hernehme. In einem Turnbeutel unter meinem Kopf habe ich die ganzen Sachen, die ich noch benutzen möchte und ein paar weitere Kleinigkeiten. An der großen Powerbank laden mein Handy und meine Garmin Uhr. Mein Tagebuch und ein paar Stifte sind darin. Außerdem eine Taschenlampe und mein Kindle. Im hinteren Fach meines Tagebuchs habe ich ein wenig Bargeld versteckt, insgesamt sind es 70€. Warum ich das so genau aufzähle?! Genau diese beiden Tasche sind es, die fehlen, als ich um halb fünf Uhr morgens aufwache. Sie wurden gestohlen! Ich bin nun seit fast sieben Monaten unterwegs und habe immer ein gewisses Grundvertrauen in die Menschen gehabt, weil es nichts bringt, wenn man sich ständig verrückt macht. Dennoch bin ich meist vorsichtig und habe meine Dinge immer einigermaßen im Blick und vor allem in meiner Nähe. Ich habe einen relativ leichten Schlaf, weshalb ich mir eingebildet habe, auf jeden Fall aufzuwachen, sobald sich jemand meinem Lager nähert. Dieser Gedanke kommt einem ja zwangsläufig immer in den Kopf, wenn man irgendwo sein Zelt aufbaut oder seine Hängematte aufspannt: „Kann mir hier jemand leicht etwas klauen?!“
Ich habe diese Frage für mich mit nein beantwortet und mich offensichtlich getäuscht. Erstaunlicherweise, wache ich auf und fasse die Tatsache, dass gerade einige meiner liebsten und wertvollsten Dinge verschwunden sind, relativ nüchtern und mit einer gewissen Ruhe und Gelassenheit auf. Wahrscheinlich, weil ich mich schon seit Beginn der Reise darauf eingestellt habe, dass irgendwann der Tag kommt, an dem mir so etwas passiert. Ich blicke mich um und gehe einmal zum Strand, um irgendein Zeichen von dem Typen oder meinen Sachen zu finden. Keine Spur. Mein weiterer Weg führt mich direkt zur Polizei, die zwar widerwillig meine Aussage aufnimmt und mir nicht wie eine besonders große Hilfe vorkommt. Danach geht es weiter nach Colombo, wo ich versuche, bei meinem Sim-Karten Anbieter mein Handy orten zu lassen. Sie sind sehr freundlich dort, aber eine wirkliche Hilfe bekome ich auch hier nicht. Sie schicken den Report aller, als gestohlen gemeldeten Handys, einmal monatlich an die Polizei. Kann also etwas dauern… Ich verlasse das Land am nächsten Tag und vergrabe in dieser Sekunde meine Hoffnungen, meine Sachen irgendwann zurück zu bekommen. Anschließend fahre ich weiter nach Negombo, wo ich noch eine Nacht verbringe, ehe ich meinen Flug nach Malaysia antrete. An diesem Abend habe ich noch einen kurzen VLOG gemacht, den ich euch hier nochmal verlinkt habe:
Woche 28
Tage 188 - 194
02.03. - 08.03.2019
- Nuwara-Eliya; Sri Lanka -
Aufgeben?! Hm nö!
Es ist wirklich erstaunlich, was die Kombonation aus Erschöpfung, Schlafmangel, Unterzucker und einer negativen Einstellung mit einem anstellen kann. Ich war kurz davor alles hinzuschmeißen. Und damit meine ich nicht nur das Laufprojekt. Ich habe in meinem Kopf tatsächlich schon das Szenario durchgespielt, meine Taschen zu packen und in den nächsten Direktflug von Colombo nach Frankfurt zu steigen. Ich weiß nicht, ob diese Flugverbindung existiert, aber in meinem Kopf tat sie es.
Der Grund für diese negativen Gedanken, lag im Grunde genommen nur bei der Frustration über einen schmerzenden und stark geschwollenen Knöchel, der mich am Weiterlaufen gehindert hat. "Ständig setzt mir mein Körper irgendwelche Grenzen" habe ich mir gedacht. "Grenzen mit denen ich nicht einverstanden bin. Vielleicht sollte ich einfach nicht hier sein und das machen, was ich gerade mache." Und so habe ich vor mich hingesponnen, als ich am ersten Tag nach unserer Pause in Dambulla, nach 25 Kilometern zum Aufhören gezwungen war, aber noch neun Kilometer bis zu unserem vereinbarten Ziel vor mir hatte. Als ich anderthalb Stunden später in der Dunkelheit bei dem Restaurant ankomme, hat Pete bereits den dritten Becher Fruchtsaft vor sich stehen. Mit dem Essen hat er noch gewartet. Er hatte auch zu kämpfen und hat "nur" zwanzig Minuten auf mich gewartet. Ich bin niedergeschlagen, weil ich Pete ja eigentlich unterstützen wollte, mich heute jedoch eher fühle, wie ein Klotz am Bein. Als ich ihm meine Bedenken mitteile, beteuert er, dass ihn mein Durchhaltevermögen eher stärkt und er sich nicht trennen möchte, solange ich mich irgendwie imstande sehe, weiterzumachen.
Puh, ja... sehe ich mich denn imstande weiterzumachen?! In der folgenden Nacht, die wir in der leerstehenden Baustelle eines unfertigen Hauses verbringen, habe ich genug Zeit über diese Frage nachzugrübeln. Ich kann nämlich kaum schlafen. Der Knöchel schmerzt, der harte Steinboden ist unbequem und der Kopf ist zu voll. Wesentlich schlimmer als der Schmerz, ist die Befürchtung, eine langwierige Verletzung zu riskieren und damit mein Scheitern vollends zu besiegeln.
Mein Entschluss: Ich fahre mit dem Bus nach Kandy, dem Zielort des folgenden Tages, mache somit noch einen Tag Pause und versuche von dort aus, das Projekt zu Ende zu bringen, sofern es mir etwas besser geht. Auch wenn das bedeutet, dass ich den Versuch Sri Lanka zu durchlaufen dann nicht erfolgreich beendet haben werde.
Doch dann passiert etwas erstaunliches! Kurz bevor um sechs Uhr Petes Wecker klingelt, um wieder durchzustarten, bekomme ich eine Nachricht von einem Freund. Er ist Arzt und erkundigt sich bei mir über mein Wohlergehen. Ich beschreibe ihm die Situation, schicke ihm ein Foto von meinem Knöchel und gestehe ihm, dass mich so langsam der Mut verlässt.
Seine Antwort kommt unverzüglich: "Solange es kein Knorpelschaden ist, kannst du langfristig wenig kaputt machen." Ich soll Ibu Prufen nehmen. Hauptsächlich der Entzündung wegen aber den Schmerz soll es mir auch ein wenig nehmen. Er fiebert mit und drückt mir die Daumen... aber ich habe ja schon schwierigere Situationen gemeistert.
Na das ist doch mal eine Ansage!
Pete hat glücklicherweise Ibu Prufen dabei. Und noch ehe ich richtig über die Situation nachdenken kann, finde ich mich in meinen Laufklamotten und mit gepacktem Rucksack vor dem Haus wieder, noch ehe Pete seine Zähne geputzt hat. Ich bin bereit weiterzumachen!
Den Weg nach Kandy schaffe ich ohne weitere Schwierigkeiten oder Probleme. Der Fuß ist weiterhin geschwollen und schmerzt aber alles ist im Rahmen. In Kandy anzukommen bedeutet gleichzeitig, dass wir die Hälfte der Strecke geschafft haben. Über 300 Kilometer in nur elf Tagen. Zur Belohnung gibt es ein dickes Abendessen. Die Motivation ist nun ungebrochen!
Die folgenden zwei Tage läuft es bei mir zunehmend besser. Die Schwellung geht zurück und mit ihr auch die Schmerzen. Ich fühle mich gut und auch von der Geschwindigkeit her, fühlt es sich mit einer Pace zwischen 6:20 und 6:30 Minuten pro Kilometer, trotz des schweren Rucksacks wie laufen an. Wir kämpfen uns durch die Landschaft, die zunehmend hügeliger aber auch immer malerischer wird. In einem Bergdorf dürfen wir nach einigen Verhandlungen mit dem zuständigen Polizeiinspektor auf dem Cricketfeld der Polizeidienststelle und der einzig Ebenen Grünfläche der Ortschaft campieren. Die Prämisse ist, dass wir am nächsten Tag bis sechs Uhr morgens verschwunden sind. Da wir ohnehin früh los wollen, passt uns das wunderbar und so haben wir einen tollen Platz zum Übernachten mit Bad inklusive. Am nächsten Tag fehlt es uns beiden an Motivation, doch die schöne Umgebung ist es, die uns zwischen den vielen Fotopausen immer wieder vorantreibt. In unserer Mittagspause stellen wir fest, dass wir beide wieder einen Ruhetag vertragen könnten und uns eigentlich nicht so sehr danach ist, noch einen weiteren Tag zu laufen. Also beschließen wir, dass wir uns zusammenreißen und die Etappe, die wir ursprünglich auf zwei Tage aufteilen wollten, heute noch durchziehen. Am Ende des Tages stehen wir nach 35 Kilometer mit 1.600 Höhenmetern, einen Tag früher als geplant und komplett fertig vor unserer Unterkunft in Nuwara Eliya und könnten beide vor Freude heulen. 378 Kilometer stehen nun nach 13 Tagen auf unserem Konto und so können wir ganz entspannt einen Tag Auszeit nehmen, eher wir die Zweitagesettappe nach Ella angehen. Nuwara Eliya ist ein wahnsinnig schöner Ort, auf knapp 2.000 Metern Höhe. Einen See in der Mitte und die Teeberge ringsherum, verleihen diesem Ort einen unglaublichen Zauber. Hier lässt es sich aushalten!
Woche 27
Tage 181 - 187
22.02. - 01.03.2019
- Dambulla; Sri Lanka -
Auf die Plätze, fertig...
Als ich in einem Café in der Nähe des Bahnhofs Colombo Fort sitze und Pete, mein Laufpartner für die nächsten vier Wochen das Café betritt, fühlt es sich ein wenig an, wie ich mir ein Date vorstelle, mit einer Frau, die man bisher nur über das Internet kennt. Ich bin ein bisschen aufgeregt! Pete und ich werden versuchen innerhalb von 26 Tagen, Sri Lanka einmal von Norden nach Süden zu durchlaufen. Wir werden also für vier Wochen, unter Extrembedingungen miteinander unterwegs sein und sehr viel Zeit miteinander verbringen. Da will man dem anderen schon gefallen und erhofft sich natürlich gleichermaßen, dass der Partner "cool" ist bzw. man sich auf einer gemeinsamen Wellenlänge befindet.
Doch schon als wir zusammen in den Zug steigen, ist relativ klar, dass zumindest die Grundchemie absolut stimmt.
Pete ist 25 Jahre alt, wirkt aber sehr erwachsen, was mich deshalb ein wenig erstaunen lässt, dass ich der Ältere von uns beiden bin. Er kommt aus Bristol, im Südwesten Englands und ist ein eher ruhiger und gelassener Typ. Er interessiert sich für Fotographie und alle möglichen verschiedenen Sportarten wie Cricket, Golf und - Obacht Überraschung - Radfahren. Dass er ein smarter Typ ist, habe ich bereits geahnt, da die Texte auf seiner Homepage wirklich lesenswert sind und einen scharfen Verstand erahnen lassen. Kurzum, es macht Spaß, die erste Stunde unserer gemeinsamen Zugfahrt miteinander zu quatschen und es ist ebenso angenehm und unkompliziert, die übrigen fünf Stunden der Fahrt, weitestgehend in Stille zu verbringen.
Der Zug ist ziemlich voll aber wir haben zum Glück zwei Sitzplätze gefunden. Sonst wären die insgesamt knapp zwölf Stunden Zugfahrt, ganz vom Süden in den Norden des Landes, für mich zur Farce geworden.
Als wir in Point Pedro ankommen ist es bereits dunkel. Wir essen schnell gebratenen Reis mit Gemüse, dann spazieren wir noch die drei Kilometer, zu dem offiziellen Startpunkt unseres Laufs, an der Küste entlang. Direkt neben dem Schild, das den nördlichsten Punkt des Inselstaates markiert, befindet sich ein Sportplatz und so haben wir einen perfekten Ort um unser Lager für die Nacht aufzuschlagen.
Wir stehen um sechs Uhr auf, bis wir alles zusammengepackt und Beweisfotos geschossen haben ist es schon viertel nach sieben. Dann läutet Pete offiziell den Start des Projekts ein, indem er einmal seinen Finger ins Meer taucht und wir laufen los. Relativ schnell wird klar, dass der Rucksack, den ich für dieses Projekt besorgt habe, absolut unzureichend ist. Und zwar nicht nur, weil er schlecht sitzt und zu viel Spiel hat, sondern weil nach den ersten 21 Kilometern auch schon der erste Schulterriemen reißt. Blöd gelaufen!
Bei dieser Aktion sind auch gleichzeitg meine heißgeliebten Kopfhörer kaputt gegangen, weil sie aus dem Handy gerissen wurden, als der Rucksack abgesackt ist. Glücklicherweise habe ich für beides bereits am nächsten Tag einen adäquaten und einigermaßen preiswerten Ersatz gefunden.
Die folgenden Tage sind geprägt von extremen Höhen und ebenso extremen Tiefschlägen, wie sie typisch für ein solches Abenteuer sind.
Die größten Herausforderungen bringt definitiv das Klima mit sich. So lange die Sonne scheint, hat es konstant über 30 Grad. Das heißt entweder es ist extrem heiß oder es ist eben dunkel. Die Schwierigkeit der Hitze ist natürlich, dass es anstrengender ist zu laufen, man aber auch durchgehend mehr schwitzt, als man eigentlich trinken kann. Bei Dunkelheit muss man dafür mehr acht geben, dass man sich keinen Fehltritt leistet und riskiert umzuknicken, man wird leichter von Autos und Bussen übersehen und es ist wesentlich schwieriger, einen guten Platz zum Campen zu finden. Dementsprechend stehen wir immer sehr früh auf und ich laufe auch am liebsten in den Stunden vor Sonnenaufgang. Da ist die einzige Schwierigkeit, dass die Shops noch geschlossen haben und man darauf achten muss, genug Verpflegung bei sich zu haben.
Die zweite große Herausforderung ist das Gepäck. Wir schlafen in der Natur, also habe ich ein Zelt, eine Hängematte, Wechselklamotten und weitere elementare Gegenstände dabei und komme daher, je nachdem wie viel Wasser ich dabei habe, auf 12 bis 14 Kilo zusätzliches Gewicht auf meinem Rücken. Bei Pete sind es ca. 10 bis 12 Kilo, da er sich statt eines Zelts, für das Projekt extra einen Biwaksack besorgt hat. Mit diesem zusätzlichen Gewicht zu laufen ist hart. Bei mir vor allem für mein verletzungsanfälliges Knie und Sprunggelenk. Tigerbalm, Eisspray und eine Bandage sind daher meine treuen Begleiter.
Der dritte Schwierigkeitsfaktor sind bislang tatsächlich die unzähligen Hunde, die weiße Jogger bereits von kilometerweiter Entfernung zu riechen und überhaupt nicht zu mögen scheinen. Täglich mit Sicherheit um die 100 Tiere, von denen manche zügig ablassen, die meisten aber echt lästig sind. Und auch wenn ignorieren hier der beste Weg ist, um in Ruhe gelassen zu werden, muss man doch häufig kurz anhalten, um zu signalisieren, dass man nicht vor ihnen auf der Flucht ist.
Aber trotz der Hürden schlagen wir uns recht gut. Nach sechs Tagen des Laufens und einem Ruhetag, haben wir schon 227 Kilometer zurückgelegt und uns somit einen kleinen Puffer auf den Plan erlaufen, den wir in den sehr bergigen Regionen im Landesinneren brauchen werden.
Ich kann schon jetzt sagen, dass dieses Projekt bislang mit Abstand die größte Herausforderung auf meiner Reise ist und nach der langen Auszeit, genau das ist was ich brauche. Ich freue mich auf die nächsten Wochen. Unter https://www.bikepackmarc.com/blog/lesen/running-sri-lanka/ gibt es nochmal etwas genauer nachzulesen, was uns unterwegs alles passiert.
Woche 26
Tage 174 - 180
16. - 22.02.2018
- Weligama; Sri Lanka -
Running Sri Lanka
6:21 Uhr. Ich habe laut Fahrplan 11 Stunden und 44 Minuten Zugfahrt vor mir. Mein Weg führt mich zunächst von Weligama nach Colombo. Diese Strecke kenne ich nun bereits wie meine Westentasche,
nachdem ich sie dreimal mit dem Zug und einmal mit dem Fahrrad gefahren bin. In Colombo habe ich zweieinhalb Stunden Aufenthalt, ehe es zusammen mit Pete weiter mit dem Zug nach Jaffna, ganz in
den Norden der Insel geht. In Jaffna steigen wir in den Bus um, der uns zum nördlichsten Punkt der Insel, nach Point Pedro bringt. Hier werden Pete und ich ab Samstagmorgen unseren Versuch
starten, in 26 Tagen,a Sri Lanka von Nord nach Süd zu durchlaufen. Berechnet man die Distanz von Point Pedro nach Weligama, spuckt Google Maps eine Strecke von 596 Kilometern aus. Im
Landesinneren, um die bergigen Regionen Kandy und Ella, werden wir mit Sicherheit, auch aufgrund unserer schweren Rucksäcke, einige Kilometer wandern müssen. Die Geschwindigkeit in der wir Laufen
ist egal. Doch wollen wir den Versuch erfolgreich beenden, müssen wir im Durchschnitt jeden Tag 23 Kilometer laufen. Da es sinnvoll ist, pro Woche mindestens einen Ruhetag einzulegen, rechnen wir
mit rund 30 Kilometern, die wir am Tag laufen wollen.
Wie ich in den letzten Wochen der Vorbereitung schon schmerzlich feststellen durfte, ist es tagsüber kein besonders großes Vergnügen zu laufen. Auch Freunde der warmen Temperaturen, geraten bei
der Hitze und der Luftfeuchtigkeit an ihre Grenzen. Dementsprechend werden wir, gerade in den flacheren Regionen, im Norden und Süden des Landes, hauptsächlich in den frühen Morgen- und späteren
Abendstunden laufen. In der Mittagszeit wird sich erholt oder maximal gewandert werden.
Pete und ich kennen uns noch nicht persönlich. Wir haben uns einige Nachrichten geschrieben und einmal länger telefoniert. Es wird also ohne Frage ein Experiment sein, unter solch extremen
Bedingungen miteinander für einen Monat unterwegs zu sein. Keiner weiß, ob wir sportlich oder persönlich auf der selben Wellenlänge sein werden oder in der Lage sein werden, über etwaige
Differenzen hinwegzusehen. Wir haben uns im Vorfeld bereits darauf verständigt, dass wir uns sämtliche Möglichkeiten offen halten werden und sind darauf vorbereitet, uns, falls notwendig, zu
trennen. Wir haben also beide so gepackt, als wären wir auf Einzelexpedition eingestellt. Da sich das Gepäck aber ohnehin auf das Wesentlichste beschränkt, hält sich auch die Zahl der unnötigen,
doppelten Gegenstände, wie 2 Sonnencremes in Grenzen. Eine Packliste ist bereits unter: https://www.bikepackmarc.com/blog/lesen/running-sri-lanka/ zu finden. Auf dieser Seite werde ich das
Projekt in den nächsten vier Wochen dokumentieren.
Woche 25
Tage 167 - 173
09.02. - 15.02.2019
- Weilgama, Sri Lanka -
Ein guter Deal
Auf dem Papier habe ich da wirklich einen guten Deal ausgehandelt. Mit Rathu und Nadun, den beiden Betreibern des Beachbreak Surf Hostels, habe ich vor meiner Rückkehr nach Weligama ausgemacht,
dass ich in der Woche rund 20 Stunden arbeiten möchte und als Gegenleistung dafür ein Bett, ein Mittagessen und ein Surfbrett bekomme. Ich habe den Jungs (beide sind so alt wie ich) gesagt, dass
sie mich gerne frei einteilen können und ich jederlei Tätigkeit verrichten kann.
Seit dem Abend meiner Ankunft, ist jedoch relativ klar, dass ich abends, hinter der Bar sehr gut aufgehoben bin. An diesem Abend fand die erste Party in der Bar des noch jungen Hostels statt.
Eine Reggae-Party. Dabei habe ich mit meiner gründlichen, deutschen Arbeitsweise (Wörter wie ‚Mise en Place‘ haben die hier noch nie gehört) und der Geschwindigkeit in der ich Getränke zubereiten
kann, einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ein Hoch auf die vielen Jobs, die ich in meinem Leben schon gesammelt habe!
Hier und da packe ich mal an anderen Stellen an und einmal habe ich mich
morgens an die Rezeption gesetzt, doch im Grunde genommen schmeiße ich seitdem nun also jeden Abend die Bar. Ich kann auftauchen wann ich will, versuche jedoch nie später als 20:00 Uhr mit meiner
Schicht zu beginnen. Um 24:00 Uhr wird die Musik ausgemacht, spätestens um 01:00 machen wir meist die Schotten dicht. Rechnen wir also mit 4,5h am Tag, komme ich in der Woche auf 32,5h Stunden.
Das ist nicht wenig, jedoch muss man sagen, dass die Zahl der Stunden des effektiven Arbeitens, wohl eher im einstelligen Bereich rangiert. Den Rest der Zeit quatsche ich mit Leuten, lese ein
wenig oder mache die „Hausaufgaben“ meines Meditationskurses, den ich seit 12 Tagen absolviere. Dafür bekomme ich ein Bett im 8-Bett-Zimmer für 1000 Rupees die Nacht, kann mir jeden Tag ein
beliebiges Surfbrett bei der Surfschule leihen, Tagesgebühr ebenfalls 1000 Rupees und bekomme ein Mittagessen, bestehend aus Reis und Gemüse für 100 Rupees. Macht bei 30 Tagen 63.000 Rupees, also
rund 300 Euro. Das ist ein wenig mehr als das doppelte von dem, was die Jungs aus dem Küchenteam monatlich verdienen und die stehen wirklich von früh bis spät auf der Matte.
Wie gesagt, auf dem Papier ein wunderbarer Deal! Befindet man sich jedoch längere Zeit an einem Ort und entwickelt eine gewissen Routine, findet man wieder Zeit, sich an Dingen aufzuhängen, die
einem nicht unbedingt als störend auffallen, wenn man sich nur einen oder zwei Nächte an einem Ort befindet. Ich kann zum Beispiel nicht genau sagen, wann ich die letzte Nacht tatsächlich im
‚Dorm‘ übernachtet habe. Da das Zimmer über keine Air Condition verfügt, hat es dort nachts nämlich konstante 30 Grad und die offene Tür ist in Richtung der Hauptstraße gerichtet, wo rund um die
Uhr die hupenden Busse und TukTuks vorbeifahren. Ein konstanter, latenter Stressfaktor. Dadurch, dass ich mein Surfbrett bei der Surfschule von Rathus Bruder ausleihe, bin ich auch an den Strand
gebunden, an dem sich die Surfschule befindet. Meist blickt man von dort Richtung Meer und sieht mehr Leute auf ihren Surfbrettern sitzen (bzw. daneben stehen!!! -.-), als man Wasser sehen kann.
Die Zeit in der es sich lohnt zum Surfen ins Wasser zu gehen, beschränkt sich also auf wenige glückliche Momente in der Woche, wenn es den anderen zu früh, zu heiß oder die Wellen zu hoch sind.
Und dann ist da natürlich noch die ständige Hitze! Konstante Temperaturen jenseits der 30 Grad, mit einer Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent aufwärts. Für eine Woche ist das ja ganz schön! Aber nach
fünf Wochen auf Sri Lanka geht mir das wirklich langsam auf den Keks! Meine Haut ist schon wieder ganz blass, weil ich eigentlich den ganzen Tag nur unter dem Ventilator im Innenbereich des
Hostels sitzen kann.
Ihr seht! Es geht mir wirklich schlecht!!
Und der einzige Grund, warum ich mir diesen Scherz mit dir erlaube, ist, weil in Deutschland gerade der erste Vorbote des Frühlings Einzug hält und du wenn du diesen Text liest, hoffentlich
gerade mit dem Handy auf irgendeiner Terrasse sitzt und dir die Sonne auf den Kopf scheinen lässt.
Mir geht es hier wirklich unverschämt gut und ich hab’ eine tolle Zeit! Und der Ausblick auf
wirklich herausfordernde und anstrengende Wochen und Monate, lassen mich auch etwas gelassener werden, wenn ich auf mein mickriges Kilometerkonto für 2019 blicke.
Woche 25
Tage 160 - 166
02.02. - 08.02.2019
- Weligama; Sri Lanka -
Ein Hoch auf die moderne Welt!
Ich hätte nicht gedacht, dass ich diesen Satz einmal nicht nur sagen, sondern sogar niederschreiben werde: „Ein Hoch auf die sozialen Medien!“ Zugegeben… Auch ich nutze Instagram hauptsächlich, um mich vor meinen Freunden und Nicht-Freunden in einem besonders guten Licht darzustellen und setze dabei das ganze unter den Tarnmantel des „so könnt ihr mich alle gut auf meiner Reise verfolgen!“
Sicher… es ist praktisch, geht schnell und man erreicht in der Tat unkompliziert, all diejenigen, die sich für einen interessieren und kann sie in wenigen Minuten mit ein paar Bildern und einigen kurzen Sätzen, auf den aktuellen Stand der Dinge bringen. Aber vermutlich könnten diejenigen, die mir folgen es auch wunderbar ohne meine Updates aushalten.
Dennoch nutze ich Instagram nicht nur zur reinen Selbstdarstellung, sondern ich folge selbst auch einigen Leuten. Freunde oder Bekannte, bei denen ich mich freue, ab und zu ein Update zu bekommen, was sich bei ihnen gerade so dreht. Aber auch einigen wenigen Personen, die mich auf irgendeine Weise inspirieren oder berühren.
Einer von ihnen ist Pete Lamb. Pete kommt aus Bristol (UK) und ist seit 10 Monaten mit dem Fahrrad in der Weltgeschichte unterwegs. Er ist bereits über 11.000 Kilometer durch 21 Länder mit dem Rad gefahren. Nebenbei hat er 8 Marathons absolviert.
Du siehst: Der Junge ist verdammt fleißig! Und da steh’ ich drauf! Und deshalb folge ich Pete auf Instagram.
Kurz nach Weihnachten, als ich gerade eine der zahlreichen Stunden, im Wartezimmer der Apollo Klinik in Muscat zugebracht habe, habe ich gelangweilt meinen Insta-Feed durchforstet und bin auf einen Beitrag von Pete gestoßen, der mich aufmerken hat lassen. Es war ein Foto von der Landkarte Sri Lankas. Durch die Mitte des Landes, führte eine gezackte blaue Linie, die ein A im Norden, mit einem B ganz im Süden verband und mir in ihrer Erscheinung, aus meinen zahlreichen Routenplanungen für Läufe und Radfahrten nur allzu bekannt vorkam. Unter dem Bild war zu lesen: „In a little over a month I’ll be attempting to run over 600km across Sri Lanka…“
Das hört sich verdammt interessant an, dachte ich mir und habe auf den damit verbundenen Link geklickt (http://www.pete-lamb.com/running-sri-lanka-planning/).
In dem Artikel, der mir dann angezeigt wurde, ist Pete ein wenig genauer auf sein Vorhaben und die dazugehörige Planung eingegangen und ich war direkt von der Sache begeistert. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich noch nicht in Sri Lanka und hatte auch noch keinen weiteren Flug gebucht, also beschloss ich, das Foto zu kommentieren und gleichzeitig Pete direkt anzuschreiben, um ihm zu erzählen wer ich bin und ihn zu fragen, ob er bei seinem Versuch nicht gerne ein wenig Gesellschaft hätte.
Die Tage gingen ins Land. Ich bin nach Sri Lanka geflogen, habe meinen Kumpel Martin getroffen und bin mit ihm über die Insel gefahren. Nach zwei Wochen gab es endlich ein Lebenszeichen von Pete. Er antwortete unter meinen Kommentar, dass er meine Nachricht erhalten habe und sich in ein paar Tagen bei mir melden würde. Nach einer weiteren Woche des Wartens, kam dann endlich die heiß ersehnte Antwort auf meine Nachricht.
Er meinte, dass er lange überlegen musste, aber nach meinen ganzen Nachrichten einfach keinen Grund dafür sehe, das Projekt nicht mit Unterstützung anzugehen. Zuerst würde er aber gerne mit mir telefonieren. Wir tauschten also unsere Nummern aus und vereinbarten einen Termin, um miteinander zu quatschen.
Pete befindet sich aktuell noch in Indien. Zwei Tage nach unserem Telefonat, wird Pete beim Mumbay Marathon an den Start gehen. Wir verstehen uns ausgezeichnet, plaudern ein wenig über unsere Radreisegeschichten und tauschen Lauferfahrungen aus. Dann besprechen wir ein wenig die groben Eckdaten für die Unternehmung. Anschließend gibt mir Pete sein OK und wir einigen uns darauf, das Projekt gemeinsam anzugehen. Ich bin wahnsinnig dankbar, als Trittbrettfahrer bei diesem Projekt aufspringen zu dürfen, da Pete bereits im Vorfeld die gesamte Planung übernommen hat. Mein Ziel wird es sein, ihn bei diesem Vorhaben so gut ich kann zu unterstützen und selbst möglichst viel Spaß dabei zu haben. Pete wird am 23. Februar in Colombo landen, ab dann haben wir 30 Tage Zeit, vom nördlichsten Punkt des Landes, in Jaffna, bis ganz in den Süden zu gelangen, wo ich mein Rad im Beachbreak Surf Hostel, meiner aktuellen Unterkunft, parken werde. Zu Fuß und nur mit der nötigsten Ausrüstung.
Nun kennst du den Grund, warum ich so lange auf Sri Lanka bleibe und weshalb ich meine Zeit bis zum 23.2. in einem Surf-Hostel überbrücke! Ich freue mich tierisch auf das Projekt und bin gespannt wie ein Flitzebogen. Wie es nach dem Running Projekt weitergeht habe ich auch bereits geplant, aber das verrate ich erst zu einem späteren Zeitpunkt.
Jetzt wird also noch zwei Wochen an der Laufform gefeilt ehe es heißt: „Pete Lamb and Bikepackmarc Running Sri Lanka!“
Woche 24
Tage 152 - 159
25.01. - 01.02.2019
- Weligama; Sri-Lanka -
Auf nach Weligama
Müsste ich mir eine Schulnote geben, wie gut ich mein Vorhaben, nichts zu tun umgesetzt habe, wäre ich mit einer glatten sechs durchgefallen. Zwei Tage nachdem ich die mir auferlegte Bettruhe,
als beste Alternative auserkoren hatte, habe ich in meinem schäbigen Hostel, im stickigen Colombo, einen Lagerkoller bekommen. Also habe ich mein Fahrrad fertig zusammengebaut, mich in den Sattel
gesetzt und in die Pedale getreten, um dem erdrückenden Hauptstadtungeheuer zu entfliehen. Einhergehend mit diesem Entschluss, habe ich außerdem beschlossen, keine weiteren Medikamente zu nehmen,
da ich außer Müdigkeit und Gereiztheit überhaupt keinen Effekt gespürt habe.
Mein Weg führt mich an der Westküste entlang in den Süden. Den selben Weg habe ich zuvor schon zweimal mit dem Zug
bestritten. Das war schön, aber mit dem Fahrrad ist es noch tausendmal schöner. Wieder im Sattel zu sitzen macht mich unbeschreiblich glücklich. Und Glück ist immer der beste Weg zur Besserung!
Bei schwülen 32 Grad und meiner längeren Sportpause, will und kann ich es nicht übertreiben, daher splitte ich die 150 Kilometer lange Strecke von Colombo nach Weligama auf zwei Tage auf.
Am ersten Tag fahre ich zunächst aus der Hauptstadt heraus. Wie bei den meisten Hauptstädten, bin ich auch diesmal heilfroh, dass ich die Fahrt überlebe. Zu den unzähligen TukTuks und Bussen, die
alle machen was sie wollen, kommt jetzt noch hinzu, dass ich zum ersten Mal auf meiner Reise, auf der linken Straßenseite unterwegs bin. Zum Glück habe ich das zuvor schon mit dem Roller üben
können. Danach geht es einfach immer an der Küste entlang. Ich fahre durch kleine Ghettos direkt an den Bahngleisen und verträumte, kleine Städtchen. Zu meiner rechten erblicke ich immer wieder
das Meer und schöne, helle Sandstrände. Mein Plan ist es einfach irgendwo, gut mit Mückenspray eingesprüht, am Strand zu übernachten. Das ist eh am schönsten! Doch als ich mir nach 80 Kilometer
in einem kleinen Kiosk Wasser kaufe, interessiert sich die Betreiberin des Ladens unglaublich für meine Geschichte. Sie lädt mich ein, bei ihr zu Abend zu essen und auch ein Schlafplatz sei kein
Problem. Da lasse ich mich nicht zweimal bitten. Kaum bin ich mit dem Rad unterwegs, werde ich schon direkt am ersten Tag wieder eingeladen. Einfach wunderbar, was diese Art des Reisens für einen
Effekt auf die Leute hat. Meine Gastgeberin Chuleeka ist total lieb und sperrt sogar für eine Stunde ihren Laden zu, um mir ihre Wohnung zu zeigen und sicher zu stellen, dass ich mich wohl fühle.
Sie spricht zwar nicht besonders gut Englisch, aber die Kommunikation mit Händen und Füßen habe ich ja in den letzten Monaten schon zur Genüge üben können. Sie nennt mich immer Mr. Marc, was mich
ein wenig in den Iran zurückkatapultiert und was ich total niedlich finde. Ich darf meine Wäsche waschen - extrem wichtig! Danach bereitet Chuleeka für ihren Mann und mich eine indische Dhal zu.
Mehrfach betonen sie, dass ich unbedingt mit meiner ganzen Familie zurückkommen müsse und wir alle immer eingeladen sind.
Am nächsten Morgen geht es genauso schwül weiter, noch 70 Kilometer bis
nach Weligama, wo ich nun für ein paar Wochen im Beach Break Surf Hostel für Kost und Logie arbeiten werde. Direkt am Abend meiner Ankunft, findet eine Reggae-Party mit Live-Band auf der
Dachterrasse des Hostels statt. Der Laden ist voll und ich schmeiße die Bar. Ich habe schon häufiger und über längere Zeiträume in Deutschland als Barkeeper gearbeitet, weshalb ich keine lange
Zeit brauche, um mich wie in meinem Element zu fühlen. Die beiden Chefs des Hostels waren so zufrieden mit meiner Performance, dass ich seitdem jeden Abend für die Bar zuständig bin. Der
restliche Tag steht mir zu meiner freien Verfügung. Ich habe einen Meditationskurs angefangen, gehe Surfen und habe auch angefangen wieder Sport zu machen. All das tut mir extrem gut! Von
Bauchschmerzen gibt es seit ein paar Tagen keine Spur mehr. Konventionelle Medizin in allen Ehren! Aber diesmal scheint die Lösung eine andere gewesen zu sein.
Woche 23
Tage 146 - 151
19.01.2019 - 24.01.2019
- Colombo; Sri Lanka -
Abwarten und Teetrinken
„Hello, how are you Sir?!“ ist mit großer Sicherheit der Satz, den ich in den letzten fünf Monaten am häufigsten gehört habe. Man kennt das „Hallo, wie geht’s?!“ zwar auch aus der Heimat, wo die
Frage meist nur als einleitende Phrase in ein Gespräch gestellt wird, ohne dass sie ernst gemeint, geschweige denn ehrlich beantwortet wird. Auf Reisen, wird mir die Frage nach meinem
Wohlbefinden so häufig entgegen gefeuert, dass ich sie manchmal mit „good“ oder „great“, meist jedoch nur mit einem Kopfnicken quittiere. Natürlich geht es mir „great!“, schließlich sitze ich
gerade im Paradis! Nicht wahr?!
Vorgestern am Abend habe ich meinen Kumpel Martin verabschiedet. Er ist zurück nach Deutschland geflogen. Seitdem habe ich mein Visum für Sri Lanka um 90 Tage
verlängert, mein Fahrrad (fast komplett) wieder zusammengebaut und mir erneut Blut abnehmen lassen, um heraus zu finden, ob es bezüglich meines gesundheitlichen Zustands eine Veränderung gibt.
Drei sehr meditative Tätigkeiten, die mit vielen Stunden in Wartezimmern oder im Hinterhof meines Hostels in Verbindung standen. Genug Zeit also, um sich mal selbst mit der Frage auseinander zu
setzen: „Wie geht es mir eigentlich?!“ Die ehrliche Antwort auf diese Frage?! „Not so great!“
Ich habe seit mittlerweile sechs Wochen Bauchschmerzen, über deren Ursprung mir keiner eine Antwort
geben kann. Der naheliegendste Verdacht, war eine leichte Entzündung des Blinddarms. Die ganz eindeutigen Beweise dafür blieben jedoch aus, da meine Entzündungswerte im Blut und auch die CT nicht
wirklich darauf hinwiesen und meine Bauchschmerzen sich auch nicht auf die rechte untere Ecke meines Bauches beschränken, sondern in im gesamten unteren Bereich umher wandern. Daher habe ich mich
gegen eine Operation entschieden und mir dafür die Einverständnis bei den Ärzten vor Ort und auch in der Heimat abgeholt. Trotz 14 tägiger Behandlung mit Antibiotika, hat sich an meinem Zustand
bislang nichts geändert. Die Schmerzen kommen und gehen und mir geht es weder besser noch schlechter.
Ich bin ratlos. Hinzu kommt, dass ich auf Anraten meines nahen Umfelds und meiner medizinischen Betreuung, meine sportlichen Aktivitäten auf ein Minimum reduziert habe. Ein Zustand, mit dem ich
nur ganz schlecht umgehen kann und der sich extrem negativ auf mein seelisches Befinden auswirkt. Zumal mein Körper, aufgrund meiner sportlichen Vergangenheit darauf spezialisiert ist, jede
Kalorie, die nicht beim Sport verbrannt wird, sofort als Reserve aufzubewahren, weshalb ich in den letzten sechs Wochen ca. acht Kilo zugenommen habe. Auch eher doof! Ist es also OK, dass ich
unzufrieden bin, obwohl ich im Paradis sitze? Ich denke schon! Aber bringt mich das weiter?! Ich denke nicht!
Die Schlussfolgerung die ich daraus ziehen kann, ist folgende: Abwarten und Teetrinken. Diese Methodik widerstrebt mir zwar zutiefst, aber ich sehe es als den letzten Ausweg. Zugegebenermaßen,
waren die letzten beiden Wochen, in denen ich mit Martin über die Insel gereist bin, weit weg von „die Füße still halten“. Auch wenn es für meine Verhältnisse sehr ruhig zugegangen ist und ich
nicht jeden Tag geradelt oder gerannt bin, entsprach es wohl nicht dessen, was sich ein Arzt unter „Erholung“ vorstellt. Daher habe ich den Betreiber der Hostels im Süden der Insel, bei dem ich
arbeiten möchte, um eine Woche Aufschub gebeten. Ich werde am heutigen Nachmittag erneut ins Krankenhaus gehen und meine Blutwerte mit dem Arzt durchsprechen. Danach werde ich mich hinlegen und
ein Buch lesen, vielleicht ein wenig meditieren und ab und zu eine Tasse Tee trinken. Für mich ist das eine größere Herausforderung als mit dem Rad durch eine Millionen-Metropole oder über einen
3000 Meter hohen Pass zu fahren. Aber wie ich es in meinem Tagebuch nun schon häufiger niedergeschrieben habe, geht es bei dieser Reise für mich darum zu wachsen und am meisten wächst man nun mal
an Herausforderungen. Diesmal trägt sie eben den Namen Geduld.
Woche 22
Tage 139 - 146
11.01. - 18.01.2019
- Sri Lanka -
Alles kommt anders als man denkt!
Vor 146 Tagen habe ich Pyras mit dem Fahrrad verlassen. Mir war bewusst, dass dieses Projekt viele Überraschungen bereit halten wird und ich in weiten Stücken von meiner ursprünglichen Planung Abkommen werde. Trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass bei einer Zwischenbilanz nach zwölf besuchten Ländern, sechs Länder dabei sein werden, die ursprünglich nicht auf meiner Route vorgesehen waren. Keine dieser Entscheidungen habe ich bislang bereut. Ebenso wenig bereue ich den Entschluss nach Sri Lanka zu kommen, wo ich mich nun seit zwölf Tagen befinde. Dieses Land hält so viel bereit, dass ich keine Schwierigkeiten habe, mich damit abzufinden , dass ich auf mein eigentliches Fortbewegungsmittel verzichten muss. Ich bin mit Verdacht auf eine leichte Binddarmentzündung aus dem Oman auf Sri Lanka angekommen. Mit den Ärzten vor Ort und zu Hause in Deutschland habe ich mich darauf geeinigt, dass wir versuchen werden, die Entzündung mit zunächst mit Medikamenten statt einer Operation zu behandeln. Vom Fahrradfahren wurde mir zunächst abgeraten und so Reise ich nun zusammen mit meinem Freund Martin, der aus München zu Besuch ist, mit dem Zug, Bus oder Tuktuk über die Insel. Dadurch habe ich viel Zeit die Dinge mal von einer anderen Perspektive zu betrachten und letztendlich ist es genau diese Art von Abwechslung, die man bei einer solch langen Reise ersehnt.
Mit dem Zug ging es für Martin, mich und zwei Jungs aus Taiwan, die wir in der Hauptstadt, Colombo kennengelernt haben, zu den Stränden im Süden. Diese Region ist bekannt für die zahlreichen Orte, die sich gut zum Wellenreiten eignen. Zug fahren ist auf Sri Lanka ein besonderes Vergnügen. Der Zug ist langsam unterwegs und hält häufig. So hat man Zeit, die spektakuläre und sich rasch verändernde Landschaft zu bestaunen. Die Türen sind stets geöffnet und bieten den perfekten Sitzplatz, da die Abteile meist brechend voll sind. Gut festhalten! Für 120 Kilometer brauchen wir fast vier Stunden. Wenigstens am Reisetempo hat sich nicht viel geändert.
In Weligama treffen wir Ayub, meinen Gastgeber aus Muscat, der mich noch vor zwei Wochen, im Oman mit dem Boot zum Wakeboarden mitgenommen hat. Als ich ihm erzählt habe, dass ich nach Sri Lanka fliege, hat er sich spontan auch einen Flug gebucht. So entstehen Freundschaften. Mit ihm und den Jungs aus Taiwan bleiben wir zwei Tage in einem Guest House am Strand, bevor wir uns alle voneinander verabschieden und Martin und ich mit dem Bus weiter Richtung Osten fahren. Von unseren Hosts in Tissimaharama werden wir am Samstagabend auf ein lokales Musikfestival mitgenommen. Wir scheinen die einzigen Mitteleuropäer dort zu sein, denn uns wird beim Tanzen ähnlich viel Aufmerksamkeit entgegengebracht, wie der Band auf der Bühne. Als Martin und ich uns einmal aus den Augen verlieren, weiß ein wildfremder Sri Lanki, den Martin fragt, ob er den anderen “white guy” gesehen habe, sofort wo ich zu finden bin.
Die nächste Station auf unserem Weg heißt Ella. Wir finden ein günstiges Hostel mitten in den Teebergen und nehmen uns einen ganzen Tag Zeit um mit dem Roller die Lipton Teeplantage und den zweithöchsten Wasserfall der Insel zu besuchen. Mit dem Roller durch die Teeplantagen zu fahren macht unglaublich viel Spaß und an den Linksverkehr gewöhnt man sich schnell. In unserer nächsten Station, Kandy, in der Mitte der Insel gefällt es uns nicht so gut, wie an den anderen Orten. . Nach anderthalb Tagen dort, steigen wir in der früh wieder in den Zug und fahren zurück an die Küste im Süden. Bevor Martin in vier Tagen wieder abreist und zurück ins kalte Deutschland muss, will er noch ein paar Tage am Meer verbringen. Ich werde ihn zu seiner Abreise in die Hauptstadt begleiten und mein Visum für Sri Lanka verlängern. Anschließend werde ich mein Fahrrad wieder zusammenbauen und damit zurück in den Süden fahren. Ich habe mich in einem Surfhostel beworben, um dort im Tausch für Kost, Logie unnd ein geliehenes Surfbrett zu arbeiten.An meinen freien Tagen möchte ich mit dem Fahrrad die Insel weiter erkunden. Ich habe eingesehen, dass es nicht darum geht, ständig möglichst viel Strecke mit dem Rad zurückzulegen. Vor allem, wenn meine Gesundheit nicht mitspielt. Mein Ziel war es möglichst lange mit möglichst wenig Geld zu Reisen und die Welt zu sehen und das geht auch ohne sich zu ärgern, dass man nicht den ganzen Tag im Sattel sitzt. Ich fühle mich hier wohl und bin gespannt wie es sein wird, mal eine längere Zeit an einem Ort zu verweilen.
Woche 21
Tage 129 – 138
04.01. – 11.01.2019
- Muscat; Oman -> Colombo; Sri Lanka -
Ein neues Land! Sri Lanka!
Meine Tage in Quantab, in der Nähe von Muscat, werden langsam eintönig. Ich versuche mich bestmöglich zu schonen und mich auf meine erste Flugreise auf meiner Route vorzubereiten. Samstagnacht geht mein Flieger und bis dahin muss ich mein Fahrrad Vorschriftsgemäß in einem großen Karton verpacken und einen Koffer oder eine Truhe für mein Gepäck auftreiben. Außerdem muss ich schauen, wie es mit dem Gewicht hinkommt, denn ich bin meines Wissens, fünf Kilo über dem Freigepäck der Sri Lankan Airline von 47kg.
Mit dem örtlichen Arzt und der Unterstützung von Ärzten aus der Heimat, habe ich abgesprochen, bei dem unklaren Befund und Verdachts auf eine leichte Blinddarmentzündung, mit einer Operation nichts zu überstürzen und mich mit Medikamenten zu behandeln, bis ich mir auf Sri Lanka eine weitere Meinung einholen kann. Ich bin enorm erleichtert, weil das bedeutet, dass ich meinen bereits bezahlten Flug wahrnehmen kann und nicht erstmal im Oman festsitze. Aufgrund der Antibiotika und Säureblocker bilde ich mir ein, dass es mir schon wieder besser geht und sich die konstanten Schmerzen langsam einstellen.
An meinem Abreisetag darf ich mir das Auto meines Gastgebers leihen und werde am Abend zum Flughafen gefahren. Ohne dieses Vertrauen und die selbstlose Unterstützung von beinahe Fremden, könnte ich das alles nicht stemmen. Auf der Fahrt zum Flughafen erklärt mir Younis auch warum. Er möchte, dass ich nach meiner Reise zurück in den Oman komme und für sein Tourismus Unternehmen arbeite. Mir stünden die Türen jederzeit offen. Schön einen Plan F in der Tasche zu haben. Der Abschied zu dem sonst recht abgekühlten Omani, ist dann überraschend herzlich.
Wie bereits vermutet, muss ich gute 4 Kilo an Gepäck loswerden. Ich trenne mich von meinen Pflegeprodukten, meiner Medaille vom Halbmarathon und anderen schweren Gegenständen mit eher emotionalem statt praktischem Wert. Mit 2kg Übergewicht, werde ich dann freundlich eingecheckt. Der Flug verläuft problemlos und ich bekomme nach einiger banger Wartezeit, meine beiden Gepäckstücke zurück. Ich bin auf Sri Lanka! Zeitverschiebung eine Stunde dreißig, Ortszeit 4 Uhr. Ich hebe Bargeld ab, kaufe mir eine Sim-Karte und verhandle mit einem Taxifahrer, bis er beinahe anfängt zu weinen. Er fährt mich für umgerechnet neun Euro in die Innenstadt von Colombo, zu einem Hostel, das ich mir im Vorfeld herausgesucht habe. Ich kann mein Gepäck bis zu meinem Check-in um zwölf Uhr einlagern. Danach schleiche ich los, schaue mir den Sonnenaufgang an, schlürfe eine Kokosnuss und merke, wie mir eine halbe Tonne Steine von den Schultern fällt. Mal wieder hat alles gut geklappt, natürlich! Aber aufgrund meiner eher bescheidenen letzten Woche, ist mir unterwegs ein wenig die Zuversicht flöten gegangen.
Ich gehe ins Krankenhaus, lasse mich erneut abtasten und gebe anschließend erneut eine Blutprobe ab. Am nächsten Tag soll ich wiederkommen und das Ergebnis der Probe mit dem Arzt besprechen. Am nächsten Tag wird auch mein Kumpel Martin aus München in Colombo eintreffen. Er hat seinen Urlaub geopfert, um mich auf meiner Reise besuchen zu kommen. Dadurch ergibt sich zwar der perfekte Zeitpunkt für eine Operation, da ich Unterstützung an meiner Seite haben werde, aber natürlich möchte ich in dieser Zeit auch unbeschwert sein, weshalb mir die Option ohne OP besser gefallen würde. Mit beiden Alternativen habe ich bereits meinen Frieden geschlossen. Ich freue mich jedenfalls auf Gesellschaft für Gespräche, die nicht auf der Oberfläche stattfinden, weil man sich gut kennt. Meine Blutwerte veranlassen den Arzt am folgenden Tag, mir zu empfehlen es weiterhin mit Medikamenten zu versuchen und sehr vorsichtig im Hinblick auf meine Ernährung sein soll. Mit dieser Nachricht kann ich guten Mutes in meine, mir auferlegte „Auszeitetappe“ zu starten.
Woche 20
Tage 122 - 128
28.12.2018 - 03.01.2019
- Quantab, Muscat; Oman -
Silvester im Oman
Seit nun schon seit fast drei Wochen habe ich mit unerklärlichen Bauchschmerzen zu kämpfen. Ich habe keine weiteren Symptome, nur einen dauerhaft stark aufgeblähten Bauch (watch the video
😉), der sehr druckempfindlich ist.
Die erste Woche habe ich es komplett ignoriert, da ich gar nicht daran gedacht habe, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte. Doch dann habe ich angefangen, schlecht Luft zu bekommen, mit dem
Gefühl, dass der Bauch auf die Lunge drückt und ich habe mich ab und zu ein wenig matt gefühlt. Zu diesem Zeitpunkt habe ich angefangen, mir Gedanken darüber zu machen, was mit mir nicht stimmen
könnte und was ich vielleicht ändern muss, damit sich wieder eine Besserung einstellt. Dann kam Weihnachten. Die drei Tage in Folge mit üppiger Kost haben mir dann, wie zu erwarten war, den Rest
gegeben. Da ich keine akuten starken schmerzen und weiterhin Hunger bzw. Appetit hatte, habe ich auch über die Festtage versucht mir nicht zu sehr den Kopf darüber zu zerbrechen, was zur Folge
hatte, dass ich den 27. und 28. Dezember fast wie gelähmt am Strand rumhing und überhaupt nichts mehr machen konnte. Nach Rücksprache mit einer mir vertrauten Ärztin in Deutschland, habe ich mir
Medikamente besorgt, welche die Magensäureproduktion hemmen und komplett auf Schonkost umgestellt. Die Anweisung lautete: „Mach dich auf direktem Weg in die Hauptstadt des Landes und lass dich
untersuchen! Eine Ferndiagnose ist hier unmöglich zu erstellen und das hört sich nicht gut an.“ Brav und gehorsam habe ich mich also vom übrig gebliebenen Rest unserer Weihnachtsgesellschaft
getrennt und mich alleine auf den Weg nach Muscat gemacht. 60 Kilometer mit dem Rad, dann hat mich ein LKW mitgenommen, dann nochmal 15 Kilometer mit dem Rad. So habe ich es an einem Tag von Ras
al Hadd in die Hauptstadt geschafft. Dass ich so nun noch einige weitere schöne Strände und eine schöne Fahrt an der Küste des persischen Golfs verpasst habe, hat mich traurig gestimmt, doch
gerade angesichts der Tatsache, dass ich noch einen sehr weiten Weg vor mir habe und ich gesund meine nächsten Ziele Sri Lanka und Indien in Angriff nehmen möchte, stand der Arztbesuch auf der
Prioritätenliste nun ganz oben. In Muscat hat bereits Luis auf mich gewartet, der schon zwei Tage vorher losgefahren und am selben Tag in Muscat angekommen ist. Ich kam spät am Abend an und wir
haben unter freiem Himmel an einer Steinküste der Stadt geschlafen. Am nächsten Tag führte mein erster Weg in das Muttrah Health Center, das das nahegelegenste war. Von dort wurde ich weiter an
eine „Privat-Klinik“ überwiesen. Ich konnte diese Arztpraxis nicht mal als eine solche identifizieren, als ich direkt davor stand. Ein kleiner Schriftzug, auf Höhe des zweiten Stockwerks des
viertstöckigen Gebäudes verriet zwar, dass sich entsprechende Praxis dort befindet, der Eingang war jedoch durch eine Tür im Hinterhof, die ich niemals ohne fremde Hilfe gefunden hätte. Alles sah
etwas schmuddelig aus und ich war äußerst skeptisch, als ich das Gebäude betreten habe. Letzten Endes stellte sich der Besuch bei dieser unscheinbaren Praxis, die komplett in indischer Hand war,
als echter Glücksgriff heraus. Ich kam sehr schnell dran, der Arzt war äußerst freundlich, untersuchte mich, war ehrlich, dass er zu keinem klaren Urteil kommt und mich gerne an eine sehr gute
Klinik weiter überweisen würde. Bei Fragen könne ich ihn jederzeit anrufen. Er drückte mir den Überweisungsschein in die Hand, Geld wollte er für die Untersuchung nicht. Also fuhr ich weiter in
des Krankenhaus. Hier wurde mir auch sofort und sehr zuvorkommend weitergeholfen, jedoch hat mich dieser Besuch natürlich eine gute Stange Geld gekostet (150€). Ein guter Test dafür, was die
abgeschlossene Langzeitauslandskrankenversicherung vom ADAC so kann. Die schlechte Nachricht: Leider haben die Untersuchungen auch keine weiteren Ergebnisse zu Tage geführt. Die Gute Nachricht:
Gute Blutwerte, kein auffälliger Ultraschall. Diagnose, Luft im Bauch und druckempfindlich. Weitere Tests sind erforderlich um Aufschluss zu erhalten. Mit diesem Ergebnis wurde ich wieder
entlassen.
Glücklicherweise geht es mir mit der Schonkost und den Protonenpumpenhemmern jeden Tag ein kleines Stückchen besser, sodass ich am Abend trotzdem zusammen mit Luis mit meinem Kumpel Ayub, den ich
vor zwei Wochen in Muscat kennengelernt hatte, auf sein Boot konnte. Erst sind wir einmal die komplette und sehr lange Küste der Hauptstadt abgefahren, anschließend durften Luis und ich sogar bei
Sonnenuntergang Wakeboarden. Am Abend sind wir auf einen Berg an einen „geheimen“ Aussichtspunkt gefahren und haben Muscat bei Nacht von oben sehen können. Ein hammermäßiger Anblick!!
Dann hat Ayub uns bei seinem Bruder abgeliefert, wo wir problemlos wohnen können.
Das Angebot mit einer Gruppe deutscher Touristen und der omanischen Reiseführertruppe um Ayubs Bruder, am Strand zu feiern, mit Barbecue und Alkohol, haben Luis und ich dann jedoch trotzdem
ausgeschlagen. Ich, weil ich einfach unbedingt schnell wieder gesund sein möchte und kein Risiko eingehen will, Luis, weil er am 01.01. die letzte Etappe, zurück nach Dubai antritt, von wo aus er
in zehn Tagen nach Hause fliegt. Wir haben also einen Filmabend gemacht und sind um halb zwölf auf einen kleinen Berg gestiegen, um um zwölf Uhr ganz still und leise mit einem einzigen kleinen
Dosenbier anzustoßen, das wir von unserem Gastgeber bekommen haben (diese Freude wollte ich mir dann doch nicht nehmen lassen). Ohne Feuerwerk, ohne Menschen, ohne Musik. Und ganz ehrlich! Es war
richtig schön, sich die ganze Aufregung um den Jahreswechsel einfach mal zu sparen. Ich warte nun auf die Antwort meiner Krankenkasse, ob sie die weiteren Untersuchungen übernehmen und halte nun
bis zu meinem Abflug nach Sri Lanka in vier Tagen die Füße still und gebe meinem Körper die Chance, die Sache zu bewältigen und vielleicht noch die weiteren Tests vorzunehmen, um Klarheit zu
schaffen und mit einem guten Gefühl nach Sri Lanka reisen zu können. So war der Jahreswechsel für mich diesmal ruhig, unscheinbar und doch wunderschön.
Tag 121
24.12.2018
- Ras Al Hadd; Oman -
Weihnachten im Oman
Wie verbringt man Weihnachten, wenn man gerade mit dem Fahrrad im Oman ist, es 25 Grad hat und irgendwie überhaupt keine Weihnachtsstimmung herrscht?!
Am Besten mit Gleichgesinnten! In den letzten Wochen haben im Iran, in Dubai und im Oman einige Radreisende meinen Weg gekreuzt und einem großen Teil von ihnen bin ich an Heiligabend wieder
begegnet. Da wäre Dalibor, ein 42 Jahre alter Tscheche, mit dem ich von Dubai aus in den Oman losgezogen bin. Emilie aus Frankreich und Millan aus Spanien, ein Paar, das auf dem Weg von
Frankreich nach Nepal ist und dem ich in der Nähe von Shinas in die Arme gefahren bin. Mit ihnen bin ich anschließend auch einige Kilometer geradelt. Tobi aus Weißenburg (Instagram: Biketourero
oder biketourero.com), mit dem ich gemeinsame Freunde habe und mit dem ich schon wochenlang
über soziale Medien in Kontakt stehe. Ich bin ihm schon lange auf den Versen, innerhalb des Irans hat er mir sogar ein Ersatzteil zugeschickt. Ihn habe ich kurz vor dem Wadi Bani Khalid endlich
eingeholt! Am selben Tag sind wir zufällig Luis aus Berlin begegnet, der an der Sporthochschule in Köln nach dem Bachelor ein Urlaubssemester eingelegt hat, um von Istanbul in den Oman zu radeln.
Zu sechst sind wir vom Wadi, rund 200 Kilometer bis nach Ras Al Hadd gefahren, einem Strand, direkt an der Grenze von persischem Golf zum indischen Ozean um hier gemeinsam Weihnachten zu
verbringen.
Doch unsere Gruppenstärke sollte zu Heiligabend tatsächlich noch wachsen. Manu und Magda (piggybackriders), ein junges Paar aus Münster, Ende 20, mit denen ich zusammen auf der Fähre aus dem Iran
gekommen bin, sind Last Minute mäßig noch zu uns gestoßen. Sie waren für das Travellers Festival nach Dubai gereist und haben es auf den letzten Drücker noch geschafft zurück in den Oman und an
den von uns auserwählten Strand zu kommen. Simon und Jule, zwei Backpacker aus Deutschland, die ebenfalls aus dem Iran kamen und zusammen mit Luis auf der Fähre waren, waren mehr oder minder
zufällig in der Nähe. Sie fanden die Idee, Weihnachten in einer Gruppe zu verbringen gut und sind bei uns im Strandcamp geblieben. Und zu guter Letzt noch Miguel, ein Fotograf aus Spanien, dem
wir an Heiligabend zufällig am Strand begegnet sind und kurzerhand eingeladen haben an unserer Travellers-Convention teilzunehmen.
Tobi und ich haben uns kurz vor Sonnenuntergang auf den Weg in den nahegelegenen Ort gemacht, um einzukaufen. Da es im Oman nur sehr eingeschränkt Alkohol gibt, haben wir auf alkoholfreien
Pfirsichprosecco zurückgreifen müssen. Neben, einer Menge Gemüse, Kartoffeln Nudeln, Feta-Käse, Gewürzen und Zitronen, haben wir im örtlichen Fischladen, eine Menge frisch geangelter Fische
besorgt. Den Fisch haben wir in Alu-Folie, zusammen mit den Gewürzen und Zitronen über dem offenen Feuer gegrillt. Dazu gab es Folienkartoffeln, Ratatouille, Gemüse-Feta-Bomben und eine Menge
verschiedener Salate. Jeder hat etwas zum Abendessen beigetragen. Aus alten Türen und großen Steinen, die wir am Strand gefunden haben, haben wir uns eine Festtafel gebaut und als wir unsere
Speisen darauf drapiert hatten, konnte man wahrlich von einem weihnachtswürdigen Festmahl sprechen! Manu und Magda hatten aus dem Duty Free Shop, von ihrem Flug aus Dubai noch eine Flasche Rum
mitgebracht, die sie brüder- und schwesterlich mit uns allen geteilt haben. Wir hatten Eiswürfel, Cola und Limetten und so konnten wir tatsächlich unverhofft und überraschend allesamt mit Cuba
Libre anstoßen.
Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich das diesjährige Weihnachtsfest auf diese Art und Weise verbringen würde.
Wir waren am Ende des Tages neun Radreisende und zwei Backpacker, die aus verchiedenen Regionen und Ländern, auf unterschiedlichen Wegen in den Oman gefunden haben, um sich an einem Strand zu
versammeln, um an Heiligabend nicht alleine zu sein. Lauter mehr oder weniger Fremde, die aufgrund gemeinsamer Interessen ganz schnell und einfach zueinander gefunden haben. Wir hatten Musik,
leckeres Essen, Drinks und Sand zwischen den Zehen. Genau die Art von außergewöhnlichem Heiligabend, den man auf einer Weltreise mit dem Fahrrad wohl eben verbringt. Dass ich beim nächtlichen
Strandspaziergang noch eine Riesenschildkröte gefunden habe, macht das Weihnachtswunder dann wohl komplett.