Woche 36 - Angkor Wat

Tage 245 - 251
27.04. - 03.05.2019
282,6 km
-Siem Reap; Kambodscha -

Von dem schönen Reservoir aus, fahre ich direkt an die kambodschanische Grenze. Eigentlich dachte ich, dass ich noch eine weitere Nacht in Thailand verbringen würde, weil so ein Grenzübergang immer einen gewissen Zeitaufwand mit sich bringt, doch von meiner Pause am Vortag bin ich ausgeruht und so komme ich noch vor der Abenddämmerung an der Grenze an.  Ich stelle mich in einer Reihe mit den Hundertschaften an Rollerfahrern an, weil sich das am ehesten nach der richtigen Schlange anfühlt. Nach einer Weile Schlangestehen, tippt mir ein sehr kleiner Mann auf die Schulter und macht Handzeichen, dass ich doch einfach nach vorne fahren soll. Ich drängle mich also an den ganzen Rollern vorbei und folge den Schildern, die die Aufschrift „VISA aquired“ tragen. Wie immer komme ich mir fehl am Platz vor, als ich mich samt beladenen Fahrrads durch die Anstellbänder durchschlängele und dabei hin und wieder eine der Stangen mitschleife oder umwerfe, an denen die Bänder befestigt sind. Es geht einigermaßen zügig voran. An die verwunderten, lachenden und ungläubig kopfschüttelnden Gesichter bin ich bereits gewöhnt. Der Mann am Schalter begutachtet mich und meinen Reisepass argwöhnisch. Das Foto ist aus 2014. Dann werde ich durchgewunken und der Marsch durch die VISA-on-arrival Institutionen beginnt. Formulare müssen ausgefüllt und Fragen beantwortet werden. Wie immer ist ein super wichtiger Beamter dabei, der meine eingetragenen Antworten ohne Flug- und Fahrzeugnummer nicht akzeptiert. Sein Vorgesetzter ist jedoch wohl zurecht sein Vorgesetzter und versteht die Zusammenhänge. Ich bekomme mein Visum. Es kostet 30 US-Dollar oder 120.000 kambodschanische Riel. Mit Karte kann man an der Grenzstation leider nicht bezahlen. Ich habe keine Dollar und da ich aus Thailand komme natürlich auch kein kambodschanisches Geld und der nächste ATM ist drei Kilometer entfernt. Zum Glück habe ich noch Euro bei mir. Die akzeptieren sie nach kurzer Diskussion auch. Eine weitere Diskussion, dass 30 Dollar und 30 Euro nicht ‚same same‘ ist, spare ich mir dann aber und bezahle die 30€ für mein Kambodscha-Visum.

Als ich endlich alle nötigen Stempel in meinem Pass habe, ist es bereits dunkel und ich habe Kohldampf. Wie immer hole ich mir eine Sim-Karte (1 Woche unbegrenztes Datenvolumen für 1$), hebe Geld ab und gehe anschließend in ein kambodschanisches Restaurant. Ich bestelle Amok, ein typisch kambodschanisches Currygericht mit Reis. Zu meiner Überraschung ist die vegetarische Variante, die es auf der Karte gar nicht gibt, tatsächlich vegetarisch und schmeckt super lecker! Amok for president! Dazu wird kostenloser Tee gereicht und ich bezahle gerade Mal zwei Dollar. Zu meiner Überraschung werden hier überall Dollarbeträge genannt und als Wechselgeld bekommt man häufig eine Mischung aus Dollar und Riel. Die Rielnoten ersetzen quasi das amerikanische Münzgeld. Der Wechselkurs liegt bei etwa 1:4000 und alles ist zu beginn ein wenig verwirrend. 
Es ist mittlerweile neun Uhr abends und um mir im Dunkeln einen Platz zum Campen zu suchen, bin ich zu platt. Also fahre ich noch ein, zwei Kilometer und nehme mir ein günstiges Zimmer in einem Guest House. Die Möglichkeit nach diesem Tag zu duschen, ist mir auch äußerst Willkommen.

Am nächsten Morgen geht es weiter. Ich fahre 150 Kilometer weit, bis nach Siem Reap. An diesem Ort gibt es viel zu sehen und mein Plan ist es dort ein paar Tage zu bleiben, Kulturprogramm zu machen und ein paar Dinge zu erledigen, die sich angehäuft haben. Die Fahrt nach Siem Reap ist außergewöhnlich und macht Spaß, denn die Strecke ist komplett flach und ab Mittag weht ein brutal starker Wind, der im ständigen Wechsel von vorne oder von hinten kommt. Das bedeutet, dass ich abwechselnd zwischen 40 - 50 km/h mit Rückenwind und 14 -15 km/h mit Gegenwind fahre. Manchmal klemme ich mich auch für ein paar Kilometer in den Windschatten von LKW’s, doch das schaffe ich immer nur über einen kurzen Zeitraum. Im großen und Ganzen fühlt es sich an wie ein sechs Stunden langes Intervalltraining und als ich in meinem Hostel ankomme bin ich platt. Mein Zimmer ist im dritten Stock, einen Aufzug gibt es nicht. Immer wenn ich das Gefühl habe, dass alles zusammenkommt, bringt mich das zum Lachen und als der Hostelmitarbeiter auf das obere Stockbett zeigt, muss ich kurz laut auflachen, woraufhin mich der Mitarbeiter  anschaut, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank und dann schnell das Weite sucht.
In den folgenden Tagen kehrt ein wenig Normalität und Entspannung in mein Leben ein. Ich schneide zwei Filme, schreibe Postkarten, lese sogar einmal ein paar Zeilen und an einem Abend gehe ich in dem Touri-Ort Siem Reap sogar feiern. Das ist das erste mal seit Budapest, dass ich einen Club von innen sehe und ich muss sagen, dass es ein wirklich cooler und witziger Abend ist. Die Dosis macht die Medizin! Und alle halbe Jahre mal in einen Club zu gehen, scheint mir eine gute Dosis.


Ein großes Highlight, das ich mir für Kambodscha vorgenommen habe und das eigentlich auch der Hauptgrund ist, um nach Siem Reap zu kommen, sind die Angkor Tempelanlagen, rund um den weltberühmten Angkor Wat. Für Mittwochmorgen nehme ich mir also vor, früh aufzustehen, und mir den Sonnenaufgang beim Angkor Wat anzuschauen. Das Hostel in dem ich untergebracht bin, bietet Tempeltouren an, mit oder ohne Führung. Ich möchte es aber wie immer gerne ohne Führung machen und so schnüre ich um fünf Uhr morgens meine Laufschuhe und laufe die sechs Kilometer zur Tempelanlage. Das Tagesticket für die Tempelanlagen kostet 37 Dollar. Ich halte das für unglaublichen Wucher aber die Einzigartigkeit dieser Bauwerke rechtfertigt diesen Preis wohl. Der Sparfuchs in mir und meine nie ganz sterbende kriminelle Ader, lassen es mich trotzdem versuchen, mit dem noch gültigen Drei-Tagespass, den ich von Mona aus Frankfurt (ein Mädchen aus dem Hostel) bekommen habe, in die Anlage zu kommen. Ich scheitere jedoch bereits an dem ersten Checkpoint, da die Person auf dem Foto mir einfach wirklich nicht ähnlich sieht und ich entgehe nur ziemlich knapp einer Konfrontation mit der Polizei und dem damit einhergehenden 100$ Bußgeld. Den Sonnenaufgang habe ich verpasst und so beschließe ich, meinen Aufenthalt in Siem- Reap noch um einen Tag zu verlängern, mir ein eigenes, gültiges Ticket zu besorgen und am nächsten Tag, wie jeder andere auch, die Tempeltour zu buchen. Der Ticketschalter ist nahe bei den Tempelanlagen und fünf Kilometer außerhalb von Siem Reap. Für alle, die in Zukunft auch die Tempel besuchen wollen, es lohnt sich das Ticket schon am Vortag nach 17:00 Uhr zu holen, da man dadurch für den Abend noch Zugang zu den Tempelanlagen erhält. Mein Fahrrad bietet mir hier natürlich einen großen Vorteil, da ich kein überteuertes TukTuk nehmen muss. Am nächsten Morgen klingelt der Wecker also sogar schon um vier. Die Tour beginnt um 4:30 Uhr. Sie kostet 6$, wenn man ohne Guide bucht und das finde ich wiederum einen ziemlich fairen Preis, wenn man bedenkt, dass wir sechs Stunden lang durch die Gegend gefahren werden und uns fünf verschiedene Tempel anschauen können. 'Wir' sind in diesem Fall Laura und Nikki aus den USA und ich. Mit meinen Begleiterinnen habe ich ein ziemliches Glückslos gezogen. Wir verstehen uns gut und haben exakt die selben Ansprüche an unsere Tempeltour. 
Der Sonnenaufgang beim Angkor Wat hat wirklich etwas magisches und ist nicht grundlos so berühmt. Die Herkulesaufgabe hierbei ist es, die 6.000 anderen Touristen auszublenden, die auf der Tempelanlage sind, wenn man den Anblick wirklich genießen möchte. Wenn man alle Angebote an Kaffee- Frühstücks-, Einkaufs- und Mittagessenspausen ausschlägt, ist man ziemlich schnell den Menschenmassen voraus und so haben wir schon ab dem zweiten Tempel unsere Ruhe. Ich habe einen riesigen Fable für diese uralten Gebäude und finde die Mischung aus sandigem Boden, uralten mächtigen Bäumen, moosbewachsenen Steinformationen und verschlungenen Gängen unglaublich cool. Und so vergeht die sechsstündige Tour wie im Flug. Der anschließende Brunch fällt ziemlich üppig aus und für den restlichen Tag sollte man sich nicht mehr allzu viel vornehmen. Die Tempeltour hat sich genauso anstrengend angefühlt, wie wenn ich in der selben Zeit Rad gefahren wäre. Einen Mittagsschlaf mache ich nicht und so falle ich um neun Uhr abends komplett erschöpft ins Bett. Am heutigen Freitag wollte ich dann endlich weiter nach Phnom Penh, in die Hauptstadt fahren, wo ich mich noch einmal intensiv und live mit der unglaublich tragischen Geschichte Kambodschas auseinandersetzen möchte. Doch ein ziehen in meiner Achillessehne hat mich alamiert und dazu veranlasst, noch einen oder vielleicht sogar zwei Tage zu pausieren. Ich hatte 2015 bereits eine Achillessehnenentzündung. Es war meine schlimmste Verletzung bislang, weshalb ich damit vorsichtig bin. Aber ich bin ja auch nicht auf der Flucht.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0